Über meine Mutter II

Ein Alltagsgespräch…

Diese szenische Darstellung eines Alltagsgesprächs handelt von zwei Leuten, die sich eigentlich nichts zu sagen haben, ja nicht einmal wirklich kennen…: Nämlich von meiner Mutter und mir…

Die Akteure:
Tochter: Depressiv, hat Beziehungsprobleme, gerne tiefgründig, wenn sich die Gelegenheit bietet, hasst Oberflächlichkeit
Mutter: Taktlos ohne es zu merken, kein Verständnis, will nicht nachdenken, verabscheut die Philosophie, interessiert sich für oberflächlichen Klatsch und Tratsch

Mutter betritt das Wohnzimmer. Sie sieht, dass die Tochter am Computer sitzt.

Mutter: Du hilfst mir gar nicht mehr im Haushalt!

Tochter (murmelnd): Ich wohne auch gar nicht mehr hier.

Mutter (weinerlich): Immer muss ich alles selbst machen!

Tochter liest E-Mails.
Mutter nimmt eine Tasse und macht sie in die Spülmaschine. Nach so viel getaner Arbeit gönnt sie sich einen Kaffee, setzt sich und schlägt die Tageszeitung auf.

Mutter: Weißt du, dass vor einem Jahr Robert Enke gestorben ist…?!

Tochter (E-Mails beantwortend): Hmmm.

Mutter: Ach, der war ja noch so jung…wie kann man sich nur umbringen!?

Tochter atmet tief ein und aus, versucht sich zu beruhigen und nicht auszuticken, da gerade ihr dieses Thema sehr nahe geht und sie ihrer Mutter am liebsten zum Xten Mal erklären würde, was Depressionen sind. Aber sie will nicht mehr erklären und diskutieren. Sie versucht sich also abzulenken, indem sie anfängt, die E-Mails zu beantworten.
Die Tastatur klackert.

Mutter liest weiter Zeitung.
Keine Minute vergeht seit ihrer letzten Aussage.

Mutter (lacht): Und stell dir vor, wer auch im Puff sein Leben lang war…XY!

Tochter kneift die Augen zusammen, versucht nicht zuzuhören und sich von der Taktlosigkeit ihrer Mutter provozieren zu lassen.
Mutter lacht immer noch sehr laut und sieht nicht, dass es der Tochter gerade gar nicht gut geht und es ihr schwer fällt zu atmen. Sie interessiert sich nur für das Leben im Puff. Für den Puff, das Leben…

Mutter: Also das ist ja wohl der Hammer!

Tochter (murmelnd und das Gesicht in die Hände vergraben): …will ich nicht hören…

Mutter lacht immer noch.

Tochter (steckt ihre letzte Kraft in die Stimme): Du bist taktlos.

Mutter (lacht): Na ich bin ja nicht in den Puff gegangen!

Die Tochter trifft der Schlag. Sie packt ihr Zeug zusammen und beginnt, sich die Schuhe anzuziehen.

Mutter: Du gehst schon?

Tochter: Ja, wenn es recht ist!

Mutter: Und wer hilft mir im Haushalt?


Und ich schwöre bei meinem Bücherregal….dieses Gespräch hat wirklich so stattgefunden. Im Kern zumindest. Alles kann ich mir ja auch nicht wortwörtlich merken.…aber ich denke, es ist etwas klar, dass meine Mutter und ich einfach keine Basis haben. Das wirklich traurige ist ja, dass beinahe alle Gespräche so verlaufen bzw. verliefen. Man könnte jetzt denken, dass ich vielleicht sagen sollte, dass mich manche Themen wie Messerstiche treffen. Dann würde das alles nicht jedes Mal so enden. Aber das traurige war ja immer, dass ich mir von Depressionen über Psychosen ihrer Meinung nach alles nur einbilde…und dass mich wirklich keiner in meiner Familie ernst genommen hat…

Mein Dad, also U., hat sich gewundert, warum ich nie mit ihm geredet habe. Naja, irgendwie bestand da auch nie wirklich eine Bindung. Ein paar Sachen hab ich ja gesagt, aber ich stand immer zwischen meiner Mum und ihm. Und die beiden waren einfach zu oft gegeneinander. Ich habe nie geschafft, darüber zu sprechen, dass wir keine Familie, sondern eine Zweck-WG sind. Würde ich auch jetzt nicht schaffen. Die zwei werden sich aber auch nie ändern. Es fielen weder Messer noch Nudelhölzer, aber Worte. Worte, an denen man gemerkt hat, das man von anderen einfach nur angepisst ist. Mein Vater hat dies einfach gelöst: Er ist abends in die Kneipe gegangen. Ich habe mich tagelang im Zimmer eingesperrt, als ich noch zu Hause gewohnt habe. Und meine Mum hat sich mit oberflächlicher Fernsehscheiße (verzeiht mir bitte den Ausdruck…) abgelenkt. Jeder ist seinen eigenen Weg gegangen. Und letztendlich war ich es, die darunter gelitten hat und sich dazu entschlossen hat, dass es besser ist, zu gehen. Ich will nämlich mein Leben leben und ich bin in der Lage zu erkennen, was mir gut tut und was nicht. Und diese Menschen weiterhin als meine Eltern ansehen, mit ihnen gezwungene Kaffeekränzchen veranstalten, bei denen ich am liebsten alle in Grund und Boden diskutieren würde…das ist einfach nicht mehr tragbar für mich. Man sagt ja immer, dass man sich Freunde aussuchen kann, aber nicht die Familie. Stimmt, sie werden auf dem Papier immer meine Eltern bleiben. Sie sind auch Menschen mit ihren Eigenarten und Schwächen. Bestimmt auch Menschen, mit denen sich andere gut verstehen. Aber diese Mischung von U., meiner Mum und mir…die ist einfach von Grund auf falsch.

Was mir immer gefehlt hat, war die Geborgenheit. Ein sicheres Familienhaus. Familiengefühl. Umarmungen meiner Mutter… Ich kann mich nur an sehr wenige Momente aus meiner Kindheit erinnern, aber ich weiß noch, dass ich immer um Umarmungen bitten musste… „Halt mich fest!“ Rette mich…
Das vergisst ein Kind nicht. Und das alles prägt mich bis heute, versaut mir mein eigenes Beziehungsleben bzw. macht es mir umso schwieriger, nun Liebe zuzulassen.
Mir taten immer die Kids Leid, die eine halbwegs funktionierende Familie hatten und wo die Eltern sich getrennt haben. Bei mir denke ich allerdings, dass es manchmal besser gewesen wäre, wenn meine Eltern dies einfach getan hätten. Es wäre eine ganz andere Basis…ich wäre vor allem ganz anders denke ich…sicherlich kann man nie zu 100 % sagen, dass das alles besser gewesen wäre. Leicht wäre es für mich als Kind auch nicht gewesen, aber vielleicht hätte das vieles besser gemacht, als über Jahre hinweg kaputt zu gehen, klein gehalten und nicht ernst genommen zu werden, Zweifel zu entwickeln, ob ich richtig bin,…

Mag sein, dass das nun alles für U. hart klingt, der übrigens wieder meinen Blog liest. Diesmal zensiere ich aber nicht. Diesmal ist es mir egal und ich stehe zu dem, was ich bin und zu der Entscheidung zu gehen, weil ich mich mit dieser Familie einfach nicht identifizieren kann.

Die Versuche…

Ich habe neulich in dem Buch „the dirt“ (Band- Biografie von Mötley Crüe) folgendes Zitat gelesen:

„Denn wenn man jemanden auf die Probe stellt, ohne dass man es ihm sagt, wird derjenige niemals den Erwartungen entsprechen.“

Vielleicht war das bei meinen Eltern und mir ja auch so? Ich habe einfach zu viel erwartet. Ich wollte einfach mehr „Familie“ haben, als ich es zugeben wollte. Vielleicht war da aber auch ein Stückchen Hoffnungslosigkeit, weil ich genau wusste, dass WIR niemals eine typische Familie werden würden, in der eine andere Bindung besteht, als die gemeinsame Stammkneipe und das Geld…

Von meiner Seite habe ich mich immer gequält, weil ich wusste, dass ich es meiner Mutter einfach nie recht machen konnte. Ich hatte einfach das Gefühl, dass nicht nur meine äußerliche Erscheinung und mein Verhalten fehlerhaft ist, sondern dass ich ein laufender Fehler bin. Gezeigt habe ich das natürlich nie. Vielleicht habe ich ab und zu einige dieser Dinge ausgesprochen, aber sie kamen irgendwie nie an…

..bis auf einmal, wo ich dann echt sauer war und mir nicht mehr gefallen lassen wollte, dass sie auf mir rumhackt, als wäre meine Person einfach nur faul, undankbar und voller Fehler. Das war der Moment vor dem vorweihnachtlichen Geschäftsessen von U.’s Unternehmen. Ich hatte am Tag darauf eine Sportklausur zu schreiben und habe also alles mit nach V. zu meiner Mum genommen, um noch mal zu lernen und alles durchzugehen, bevor uns U. abgeholt hätte. Ich hatte mich auch schon gerichtet, damit da kein Stress bestand. Meiner Mum gefiel mein Outfit allerdings gar nicht und sie hörte einfach nicht auf zu sticheln. Ich war gerade am Essen und habe wirklich mehrmals betont, dass ich diese Aussagen nicht okay finde und dass die Leute mich doch kennen und wissen, wie ich bin und rumlaufe. Meine Mum wollte mich aber einfach nicht verstehen. Und nach langer gezielter Beherrschung, bin ich letztendlich explodiert, weil diese Diskussion komplett unnötig war und durch ihre ständige Provokation nicht mal als solche bezeichnet werden konnte. Also habe ich meinen Löffel neben den halb vollen Teller gelegt, bin aufgestanden und gegangen. Da hat sie aber geguckt…
Ich wollte es eigentlich nicht soweit kommen lassen, da ich mich schon auf das Essen gefreut hatte. Es war ein Anlass, mal wieder unter die Leute zu gehen, sich schick zu machen. Das konnte ich in dieser Zeit nicht, da mir die Schule mal wieder den Raum zum Atmen nahm. Das verstand meine Mum aber nicht und gab sich auch keine Mühe, es verstehen zu wollen.
Die letzten Jahre habe ich schon genug Kritik meiner Mum einstecken müssen, da sie es einfach nicht fertig gebracht hat, mich mal zu loben. Sie sorgt zwar für Dinge wie essen, käufliches Zeug, etc. …aber was sie nicht kann, ist einem anderen was Nettes zu sagen. Für einmal „Dieser Text ist die aber gut gelungen! Mir gefällt daran, dass…blah blah blah…“ würde ich auf den ganzen anderen Kram verzichten. Auf alles!! Aber ich rechne nicht mehr damit, dass ich irgendwann mal so ein Lob bekomme. Meine Texte habe ich ihr auch irgendwann einfach nicht mehr gegeben, denn das war nicht unbedingt Balsam für die Seele…das hat mich kaputt gemacht. Das seltsame war nur, dass ich vor den Leuten aus dem Nest immer die Tochter war, die (auf einmal) so wunderschön schreiben konnte…

Siehe auch: Über meine Mutter I

Edit (21.06.2018): Heute ist unser Verhältnis weitaus besser. Wie ich mich damals gefühlt habe, lässt sich zwar nicht vergessen, aber wir geben uns heute Mühe mit unserer Kommunikation.

Posted by Journey

Kategorie: Allgemein

Autor: Journey

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2 Kommentare        

hey lü, bei mir ist alles klar und bei dir? 🙂
mach grad ne blogpause weil ich grad keine zeit für hab.
wegen umzug etc. 😛 also mach dir keine sorgen 😉
hab dich lieb<3

Hey Tatiiii!
Schön, dass es dir gut geht und ich mir keine Sorgen machen muss. : )
Wir müssen die Tage übrigens unbedingt mal reden…über Weiberkram und so. Ich brauche deinen Rat als Frau!! XD
Also, halt die Ohren steif!
Hab dich lieb!! <3

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