„Leid…?! Wäh, geh weg damit! Das Leben ist doch so schön!“ hatte ich vor ein zwei Tagen im Blog geschrieben im Zusammenhang mit Suizid. Aber ich musste doch feststellen, dass nicht alle so denken. Meine Klasse zum Beispiel nicht. Ich habe sie gefragt, was sie von Leid so halten, wie sie darüber denken. Und was zurückkam, war eigentlich angenehm zu hören. Es gehört zum Leben. Und wisst ihr auch, wann ich die Gelegenheit dazu bekam, sie zu fragen? Ja…richtig. Ich habe mein depressives und höchst suizidales Referat wieder zum Leben erweckt und es gehalten. Und ich habe mir nichts vorher angesehen. Ich habe nicht einmal die Karteikarten geordnet. Seit einer Woche lag es eigentlich mehr oder weniger begraben. Aber es musste gehalten werden. Wie es dazu kam, ist aber auch eine…naja…interessante Geschichte.
Und zwar hatte ich „mal wieder“ einen Termin beim Rektor. Angeblich wegen der Wohnung, aber meine Klassenkameradin Tati hat mir das nicht so wirklich abgekauft. Ich habe mir gestern aber auch selbst gar nichts mehr abgekauft. Ich bin mehr oder weniger ungeschminkt in die Schule. Ich war froh, mich überhaupt aus dem Bett geschält und meine Haare gewaschen zu haben. Schminke? Nee. Außerdem wäre die sowieso überflüssig gewesen. Denn ich saß die meiste Zeit heulend an meiner Bar und habe versucht was zu essen, was mir auch gelang. Ich wurde müde. Richtig müde. Ich bin fast vom Hocker geflogen. Doch ich zwang mich aus dem Haus.
Den Termin hätte ich verpasst, wenn Tati nicht gemeint hätte, dass es 11 Uhr sei. Ich hatte aber auch null Zeitgefühl. Ich schlief quasi in Spanisch ein. Als ich merkte, dass ich echt spät dran war, schrie ich „Schwesteeeeeer“ (ich bin auf einer christlichen Schule…), stand gleichzeitig auf und meinte, ich hätte einen Termin. Und schon war ich weg. Vor der Tür rannte ich los und sprang im Flow ca von der 5. Stufe. Erstaunlich, wie sportlich ich doch sein konnte. Mein Therapeut Dr.D. wäre stolz auf mich… Denn mit einem Satz war ich im Sekrettot, wie Tati und ich es immer nennen. Irgendwann kamen wir im MSN darauf…
Tati: gehen wir in der pause ins sektreatertotoot
Tati: ich muss morgen noch ins sekrfoiöhwfiwf xD
Journey: Warum musst du ins sekrettot?
Jedenfalls waren alle schon da. Bis auf den Rektor. Doch er brauchte auch nicht lange. Wir setzten uns alle um einen runden Tisch. Mit alle meine ich natürlich meine Klassenlehrerin, meinen Pädagogiklehrer MS, den Rektor und mich. Ich weiß nicht mehr genau, wie wir darauf gekommen sind, jedenfalls meinte ich, ich hätte Depressionen, was ja auch stimmt. Depressionen und Suizidalität. Ich konnte mich eine Weile drum rum reden, aber das brachte mir nichts, also machte ich Nägel mit Köpfen…oder so…das Navigationssystem wird mich sicher wieder verbessern. Sprichwörter und ich…egal.
Ich war ehrlich. Ob es gut war, werde ich dann im Nachhinein erkennen. Jedenfalls war ich nicht darauf vorbereitet gewesen, aus dem Nähkästchen zu plaudern und über meine Lage zu reden.
Aber netterweise brachte man Verständnis für mich auf. Mein „Bild“ von den Gymnasiallehrern hat sich also etwas verbessert.
Alles ist also möglich. Aber das weiß ich ja schon lange. Nur mache ich nichts draus. Wenn ich mich selbst so beobachte, trage ich eher selten zum Umweltgeschehen und der Gestaltung meines Lebens bei. Meistens läuft alles von selbst. Mehr oder weniger. Irgendwie schon eigenartig. Ich sollte viel mehr von mir aus machen und hinterfragen. Oder ich sollte einfach mal wieder mit Jo diskutieren. Denn ich lege mich ab und zu wohl zu sehr fest…und vor allem vermeide ich Dinge. Da hat Dr.D. vollkommen Recht. Und je länger ich etwas vermeide und an das erwartete negative Ende denke, desto mehr Angst bekomme ich und desto weniger kann ich mich motivieren.
Aber mein Pädagogiklehrer hat das gestern ja gut erkannt. Ich mache nicht viel. Und auf andere zugehen und reden gehört nicht zu meinen Spezialgebieten. Jedenfalls eher selten. Es kommt darauf an, wo ich mich befinde. Und auf den Gemütszustand.
Seit gestern stehe ich nun also unter der Beobachtung der Lehrer. Mich stört das eigentlich nicht. Denn wie mein Pädagogiklehrer richtig vermittelt hat, bin ich niemand, der freiwillig irgendwo hin geht und Hilfe sucht. Ich bin eher still. Ich werde von selbst nie sagen, dass es mir so und so geht. Ich versuche eher, das mit mir auszumachen. Auch wenn’s in Panik auf dem Boden liegend endet…
Nach dem dennoch ziemlich gut verlaufenden Gespräch bin ich mit meinem Pädagogiklehrer Richtung Klasse gelaufen und habe ihn bei der Gelegenheit gefragt, ob ich heute mein Referat halten soll/muss. Mein Referat musste gehalten werden. Ich stimmte zu. Ich war darauf eingestellt. Irgendwie. Auch wenn ich keinen Plan hatte, wie ich das halten sollte. Ich hatte es einmal vor der Webcam geübt, aber merkte doch schnell, dass der Wackelkontakt meines Kopfhörers im Video mehr Aufmerksamkeit bekam, als das Referat. Ich fing so ca 100 Mal an. Bei der letzten Fassung habe ich gemerkt, wie schrecklich das aussieht und dass ich mich selbst kaum verstehe. Ich gab natürlich mir die Schuld. Und nicht dem Technikschrott.
Jedenfalls sollte ich es halten. Alle freuten sich. Seltsam. Und jeder drückte mir die Daumen. Wirklich jeder… Und das liebste war, dass man mir eine Spange für die Haare gab. Denn am Anfang des Schuljahres hatten wir das Referate vortragen geübt und ich strich mir immer meinen Pony aus dem Gesicht. So ca alle 2 Sekunden. Ich hatte da gar nicht mehr dran gedacht. Erst, als man mir die Haarspange gab. Ich fand das süß. : )
Und das Referat lief auch gut. Keiner merkte, dass ich voll improvisiert hatte. Alles. Von A bis Z. Zudem waren noch meine Karten durcheinander und ich warf, als ich den Faden verlor eine Frage in den Raum. Außerdem merkte ich, das es auch besser war, wenn ich das Publikum miteinbezog. Das geschah alles spontan. Zum Glück hatte ich mich intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt. Ich würde sogar behaupten, weniger als 100 Karteikarten wären auch noch gegangen. Nachdem ich durcheinander gekommen war, schmiss ich die Karten immer auf den Tisch vor mir. Ich stand direkt vor diesem Tisch. Keine Ahnung warum. Aber der Tisch half mir sehr, nicht so nackt dazustehen. Und von hinten sah man das denke ich nicht so sehr.
Das Referat lief also gut. Eine Folie hatte ich verlegt, aber das machte nicht viel aus. Denn eigentlich wollte ich die Symptome einer Depression vorlesen lassen. Ich habe aber noch was anderes zum Vorlesen gefunden. Derweil konnte ich zum X. Mal meine Kärtchen ordnen.
Was ich noch gaaanz rührend fand, war die Tatsache, dass sich alle am Ende so sehr Mühe gaben, mir irgendwelche Fragen zu stellen, damit sie mir der Lehrer nicht stellen musste. Aber ein paar hat er mir dann doch gestellt. Und worauf ich stolz bin, ist die Tatsache, dass ich fast alles gewusst habe, ohne von Karteikarten abzulesen. Ich hatte sowieso keine Ahnung, wo die alle lagen. Aber ich hatte so viel im Kopf. Das tat so gut…es zu merken. Danke, liebe Klassenkameradinnen, die das lesen und danke MS.
Und danke auch ans Navigationssystem, dass wir uns über das Thema Depressionen unterhalten haben. Und sowieso…ich bin glücklich, dass es dich gibt und wir über so vieles reden können!
Und ja…diese ganzen Leute lesen meinen Blog. Maze hat ihn auch die ganze Zeit gelesen. Irgendwann wird mein Tagebuch noch wirklich ein Buch…überraschend, dass es mir rein gar nichts ausmacht, mich hier zu prostituieren, wie Dieter es ja immer nennt. Ich mag das irgendwie. Und ich weiß nicht, wer alles noch meinen Blog liest, mir sind nur die wenigsten bekannt. Aber irgendwie glaube ich nicht, dass es mir schadet. Ich kann mich eben nicht sehr gut anders mitteilen bzw. nicht gerne.
Schreiben ist mir lieber.
Schreiben ist mein Leben.
Und das geht momentan wieder aufwärts!
Auf und ab Hoverkraft!