Erst einmal möchte ich auf die Frage antworten, wie lange ich denn an einem Artikel schreibe und wie ich persönlich dabei vorgehe….
Es ist kein Kunstwerk. Am Anfang ist einfach die Idee, die ich entweder aus dem Kopf heraus kurz aufschreibe; teils als richtigen Text, den ich später auch übernehmen kann und teils als Stichpunkte. Wenn ich Zeit habe setze ich das dann komplett um.
Oder ich schreibe direkt einen Text aus dem Kopf, veröffentliche ihn aber nicht gleich, sondern lese ihn zu einem anderen Zeitpunkt noch einmal.
Kurzgeschichten und Gedichte veröffentliche ich aber zum Teil sofort. Die entstehen meistens auch aus der Muse heraus. Das bedeutet, dass meine Gedanken einfach nur aufgeschrieben werden müssen. Ich versuche auch so weit es geht in Sätzen zu denken und allem einen Namen zu geben. Vielleicht ist das ja auch von Relevanz…
Aber nun zum eigentlichen Thema: Alkohol.
Zu allererst gilt es zu definieren, ab wann man ein Alkoholiker ist.
Ist man es, wenn man jeden Tag ein Bier trinkt? Wenn man sich am Wochenende volllaufen lässt? Oder wenn man denkt, ohne Alkohol keine Party feiern zu können? Ab wann ist man süchtig?
Die Süchtigen geben das ja nicht so gerne zu. Ihnen will auch nicht bewusst werden, dass sie evtl. vielleicht doch abhängig sein könnten. Ich weiß nicht, ob sie daran denken. Aber irgendwie habe ich das Gefühl, die Sucht ist gar nicht in ihrem Kopf vorhanden und sie können sich deshalb dieser nicht bewusst werden. Oder die Tatsache, dass man süchtig sein könnte wird einfach verdrängt. Das kann aber andererseits nicht auf alle zutreffen. Denn es ist ja nicht so, dass sich Alkoholiker keine Hilfe suchen. Ich kenne nur keinen…
Das mag vielleicht daran liegen, dass sich keiner so gerne eingesteht, dass er ein Problem hat oder etwas nicht stimmen könnte. Und selbst wenn, Hilfe zu suchen erscheint immer noch als sehr schwierig. Aber wenn die Eingeständnis da ist, ist schon mal die größte Hürde genommen. Ohne die kann man nämlich gar nicht erst Hilfe suchen. Es bringt also nichts, wenn man seinen anscheinend alkoholabhängigen Mann zur Therapie und zum Entzug schickt, wenn der der Meinung ist, es gehe ihm gut. Wie heißt es so schön:
Selbsterkenntnis ist der erste Schritt zur Besserung
Doch wo liegt die Grenze zwischen „ab und zu mal was trinken“ und Alkoholismus? Irgendwie scheint sie nicht so wirklich vorhanden zu sein.
Es wird ja auch immer mehr und mehr und am Ende ist man bei 5 Bier und 4 Schorle täglich…
Wo befindet sich also dieser Bereich? Wo fängt er an? Wo er endet, das kann ich mir vorstellen. Er endet damit, dass Trinken zu einem Lebensbestandteil wird wie schlafen. Deren Leben besteht dann nur aus arbeiten (soweit sie sich noch dazu zwingen können), trinken und schlafen. Natürlich macht er auch noch andere Sachen, aber das Hauptbedürfnis Trinken geht bei vielen wohl unbewusst (=Sucht?) vor.
Mein erster Blogeintrag im anderen Blog handelte von Süchten wie Alkohol, Zigarette, Drogen, Sex…paradoxerweise habe ich nebenher ein Bier getrunken. So hat meine „Blog-Karriere“ also begonnen…ich zitiere:
[…] Ab wann beginnt hier die Sucht? Gerade habe ich mir eine Flasche Bier aufgemacht mit dem Hintergedanken, dass ich „Lust“ darauf hatte. Doch wo hört hier der Spaß auf? Wenn man plötzlich trinkt um zu vergessen? Aus Depression? Oder einfach in der Hoffnung, dass sich etwas verändert? Dieser Drang nach Veränderung ist es doch eigentlich, was uns zum Alkohol führt. Die Party soll lockerer sein, der Abschluss soll gefeiert werden, die Probleme sollen ertrinken. Doch im Prinzip – und nüchtern gesehen – verändert sich rein gar nichts. Hält uns aber nicht vom Feierabendbier ab. Klar, wer in die Kneipe geht, da wirken nicht-alkoholisierte Getränke eher befremdend. Da JEDER trinkt. Also Gruppenzwang. Wie soll ein süchtiger dann noch merken, dass er süchtig ist? […]
Es gibt wie gesagt also Leute, die trinken, weil sie sich selbst vergessen wollen; Leute, die trinken, weil sie jemanden vergessen wollen und Leute, die einfach trinken, weil man in der Kneipe halt trinkt.
Ein Jahr später und viele Lebensgeschichten und Kneipenbesuche später kann ich allerdings sagen, dass die wirklichen Alkoholiker aber nur eins verbindet: Das Problem vor dem Alkohol. Sie alle haben versucht es mehr oder weniger mit Alkohol zu lösen, sich davor zu flüchten. Aber das Problem ist immer noch da, auch wenn es in der Vergangenheit liegt.
Hier ein paar wirklich sehr kurz zusammengefasste Lebensgeschichten meiner Freunde:
Ich kenne zum Beispiel einen Mann – nennen wir ihn mal Dieter – der ohne Eltern aufgewachsen ist; angefangen hat zu trinken, seine Frau und Tochter nicht halten konnte und der nun ganz allein praktisch in der Kneipe „lebt“. Schlafen – Schichtarbeit – Kneipe. Woanders sieht man ihn selten. Und wenn, dann hat das meistens mit Trinken zu tun. Er streitet allerdings alles ab und vergleicht sich mit Pennern, die auf der Straße an ihrer Weinflasche nuckeln. Schlechtes Argument, denn dabei schneidet jeder besser ab. Das sage ich natürlich nicht. Auf ihm wegen Alkohol rumzuhacken bringt nichts. Er trinkt dann nur noch mehr.
In der Kneipe redet er nie viel, sondern beobachtet. Er besitzt ein gutes Allgemeinwissen und weiß immer, was in der Welt vor sich geht. Witzig ist er auch, aber er sagt manchmal Sätze, die man anders interpretieren könnte; also lässt eine gewisse Zweideutigkeit einfließen. Wenn ich das merke, dann interpretiere ich absichtlich den Satz anders und füge noch ein paar Fremdwörter hinzu, höre förmlich, wie es bei ihm im Kopf ein paar mal Klick macht und sehe mir den darauffolgenden leicht skeptischen „wenn-ich-noch-ein-einziges-Fremdwort-höre“-Blick an.
Ich bin ja der Meinung, er sollte mehr lesen als trinken. Schaden würde es jedenfalls nicht.
Und dann kenne ich noch einen, bei dem man nie weiß, wie er ist – nennen wir ihm mal Jo. Sein Hobby ist jedenfalls trinken, rauchen, pokern und in der Kneipe zu diskutieren und Leute doof anzumachen. Egal welchen Standpunkt man vertritt, er ist immer dagegen. Und wenn man seine eigene Meinung seiner angleicht und ihm Recht gibt, widerspricht er einem und sagt genau das, was man schon lange gesagt hat, und so geht das dann weiter… Alle kennen schon seine Taktik, deshalb such er sich irgendwelche Fremden aus und bequatscht die.
Wie sein Leben so verlief, weiß ich nicht so genau. Er hatte aber mal eine Frau und einen Sohn und überall Ex-Freundinnen. Er war auch mal Millionär und hatte eine Penthousewohnung…ansonsten ist er nun (fast arbeitsloser) Projektmanager.
Ich halte ihn für ziemlich intelligent. Ich messe das allerdings nicht an dem, was er macht, sondern an seinem Wissen. Er besitzt viel emotionale Intelligenz, was man ihm auf den ersten Blick gar nicht zutraut. Er hat irgendwie auch so einen Tick, dass er nicht will, dass die Leute ihn für toll, intelligent oder etwas anderes Positives halten. Dann macht er wieder irgendwas, um der „Depp der Kneipe“ zu sein…
Außerdem kenne ich noch eine Frau – Teesorte – die anscheinend ein ganz großes Problem mit Männern und mit Alkohol hat. Ich glaube allerdings, dass ihr Grundproblem was mit Liebe zu tun hat… Sie hat nämlich ziemliche Angst vor dem Alleinsein. Deshalb trinkt sie und trinkt und heult sich manchmal bei mir aus. Aber am nächsten Tag lächelt und strahlt sie wieder, weil sie einen Mann an ihrer Seite hat. Am übernächsten taucht dann dieser mit einer anderen Frau auf und verlässt sie,… d.h. sie ist dann wieder unglücklich, und so zieht sich das hin…
Im Grunde genommen halte ich sie für eine sehr intelligente Frau, die allerdings viel zu emotional ist. Sie macht sich abhängig von Männern und versucht dies vermutlich mit Alkohol zu lösen. Und was noch erschreckenswert ist, dass sie sich immer die „Arschlöcher“ aussucht und nie dazulernt. Ich sage das jetzt mal ganz kokett.
Dann kenne ich noch den besten Freund von Jo: A. Egal über welches Thema man sich mit ihm unterhält, am Ende heißt es immer „…du, ich war 20 Jahre lang mit meiner Frau verheiratet…“ Er scheint sie, wenn man nach den ständigen Wiederholungen geht, wirklich zu lieben. Allerdings sucht er die Antwort für alles entweder in Alkohol oder in Sex. Er hatte im letzten Jahr so viele Frauen, aber keine blieb. Das hat A. dem Alkohol und seinem Alkoholikerfreund Jo zu verdanken. Aber dennoch wird schön weitergesoffen…er hatte mal eine Firma. Irgendwas mit Alu.
Er und Jo haben jedenfalls mal bei dieser Fürstenberg-Aktion mitgemacht. Zusammen hatten sie über 900 Kronkorken in knapp zwei Monaten gesammelt. Das macht für jeden ca. 8 Flaschen Bier pro Tag…wenn man bedenkt, dass das nur Jos Flaschen waren und die zwei immer unterwegs sind, Jo manchmal sieben Tage am Stück, dann ist das schon ziemlich…heftig.
Ich kann mich noch genau an eine Diskussion mit Jo in seiner Wohnung erinnern, in der er auf die Frage, was er denn noch vom Leben zu erwarten habe, geantwortet hat, dass er gar nichts mehr zu erwarten habe. Er warte jetzt noch 30 – 40 Jahre ab und in der Zeit spiele er Poker und würde Shut the Box spielen. Wer verliert, holt noch zwei Bier…
Doch was letztendlich in einem Alkoholiker vorgeht, kann ich nicht sagen. Ich kann nur beobachten und reden und daraus schließen, dass diese Menschen Probleme haben müssen. In einem Buch habe ich mal gelesen, dass es beim Problem anfängt (Kindheit, Liebesentzug, Millionen verzockt, etc.); dann kommt das Trinken. Das wird immer mehr und letztendlich hat man das eigentliche Problem gut unterdrückt. Bzw. Der Alkohol stellt sich davor und wird zum Problem.
Die Mehrzahl der Leute, die ich kenne erscheinen mir so, als wäre Alkohol zwar in ihrem Leben integriert, aber süchtig? Nein, Niemals! Wobei man wieder bei der Kernfrage wäre, ab wann man denn nun süchtig ist. Ich denke Alkoholismus ist in jeder Hinsicht ein Teufelskreis…
Der einzige, der zugibt, dass er kaputt sei, ist Jo. Aber bei seinen Aussagen kann man sich ja niemals sicher sein.
Viele haben wohl Angst, allein zu sein. Das scheint allerdings bei vielen Menschen so zu sein, nicht nur bei Alkoholikern. Auch wenn ich das persönlich gut wegstecke. Ich denke mir einfach immer, dass jeder da draußen, der sich an irgendwen klammert, auch alleine ist. Man kann sich ja so vieles einreden… Ich jedenfalls sehe keinen Sinn in Beziehungen oder Familientreffen. Das ist aber eine andere Geschichte. Ich unterhalte mich gerne mit Leuten, bin aber auf niemanden mehr angewiesen. Bis auf meine Eltern, bei denen ich noch wohne. Vielleicht erspart mir dieses abstrakte Denken ja ein bisschen Leid, welches andere durch das Verlassen werden bekommen. Mir erscheinen Texte und die Lebensgeschichten anderer jedenfalls wichtiger als mich zu fragen, ob ich alleine bin oder nicht. Ich habe jedenfalls meine Lebensgeschichte, die sich auch ohne Liebe, Männer oder Familie erweitern kann und das muss reichen. Aber andererseits ist das wiederum eine Endlosgeschichte, da die Gesellschaft etwas anderes predigt…davon aber vielleicht ein anderes mal, wenn es um den Sinn von Beziehungen geht.
Wie das bei den eben vorgestellten „Alkoholikern“ ist, kann ich genau sagen: Jo hat jedenfalls eine Freundin, die ihn bedingungslos liebt und die er rumschupsen kann. Aber ansonsten hat hier wirklich niemand irgendwen. Dieter ist mein Ex-Freund und wird auch nie trinken aufhören. Er meinte, es würde alles anders werden, wenn er jemanden hätte. Leere Versprechen…
Und das sind nur ein paar Charaktere, von denen ich behaupten würde, dass sie Alkoholiker seien. Das meine ich aber nicht im negativen Sinne, denn sie sind aufgrund dessen keine schlechten Menschen. Sie kommen einfach nur nicht mit ihrer Gefühlswelt und mit ihrer daraus resultierenden Sucht klar. Es ist einfach die Leere in einem, die gefüllt werden muss. Egal mit was.
Mein früherer bester Freund Kai sagte immer, ich würde irgendwann mal auch eine Alkoholikerin werden, weil ich mich mit vielen Alkoholikern abgebe. Aber das war noch zu alten Zeiten. Heute bin ich nur noch selten unterwegs. Aber ich trinke ganz gerne mal die Männer unter den Tisch und diskutiere in der Kneipe, wie ich es von Jo gelernt habe. Das ist nicht meine Zukunft, aber ein Teil von meinem Leben. Aber bin ich deshalb Alkoholikerin?