Wollt ihr eine Geschichte hören?
Sie ist wahr. Jedes Wort ist wahr und ich sehe mal nach, ob mir das Aufschreiben dieser irren Story vielleicht zur Lösung verhilft…
Ich habe ja mal von Kai geschrieben. Er spielt momentan eine tragende Rolle, denn ich bin mit ihm mittlerweile sehr gut befreundet. In den letzten Tagen hatten wir wirklich sehr viel Spaß, sind zusammen durch die Stadt gelaufen, waren im Kino und werden von ganz V. für ein Paar gehalten. Ich hatte ja am Anfang meine Bedenken. Nicht über Kai. Sondern über die Situation, dass ich ja Jo liebe, was er weiß. Und über seinen Ruf und seine Dreistigkeit immer absichtlich zu wollen, dass alle über einen reden. Und ich sollte Recht behalten. Jetzt komme ich da irgendwie nicht mehr raus, weil er mir ans Herz gewachsen ist und ein wirklich guter „Kumpel“ wäre, wenn da nicht nur der Rest mit der Ex, der Tochter, der anderen Frau, dem Gefängnis, der verlorenen Wohnung, dem verlorenen Job, und dem Koks wäre…
Kai meint immer, dass er zu den anderen nicht so sein muss wie zum Beispiel zu mir. Ich kenne zwei Kais und er kann bei mir genauso gut der gute als auch der böse sein. Und ich weiß, er wäre gerne der Gute. Aber irgendetwas in ihm hält ihn davon ab. Ich vermute, es ist die Vergangenheit. Er will neu anfangen, aber egal was er macht: Er wird überall als Arschloch gesehen. Als Idiot, Penner, etc. ABER er tut nichts dagegen. Und ich denke, das erste, was ich ihm sage ist, dass er mal den wahren Kai rauslassen soll. Ich bin zwar auch ein schweigendes Persönchen, das aus Selbstschutz so still ist. Aber wenn’s drauf ankommt kann ich auf dem Tresen tanzen. Und ich werde es ihm beweisen, wenn er es nicht glaubt.
Und der wirklich wichtige Punkt kommt erst noch: Gestern war ich in meiner Stammkneipe mit meiner Friseurin. Jo war da, doch ich wollte nicht wirklich mit ihm reden. Dazu hat er mit letzten Freitag zu sehr wehgetan… Jedenfalls kam Kai auch. Und wie gesagt, er ist nicht beliebt. Aber das geht eben nicht an mir vorbei wie an ihm. Also feinfühliger Ich-bin-immer-für-dich-da-Kai kontra Vergangenheit kontra Liebe kontra Freundschaft. Liebe bringe ich jetzt auch mal ins Spiel, denn Jo war ja da und…ehrlich gesagt zitterten mit die Hände. Und ich war komplett aufgewühlt, weil beide am selben Ort waren. Im Nachhinein wird mir klar, dass das noch nie so war. Ich dachte anfangs, es war nur wegen Jo. Weil ich ihn so lange nicht mehr gesehen habe. Aber es war wirklich wegen beiden.
Kai und ich verließen zusammen die Kneipe. Zu Jo und die, die bei ihm saßen sagte ich kurz tschüss und er widmete mir wie immer ein Stück vom Nichts.
Ich wollte eigentlich früh ins Bett, aber da mein Handy mit den SMS spinnt, wollte ich mir ein bisschen was von denen abtippen und alle dann löschen. Ich war noch geschminkt, aber im Nachthemd, als meine Zimmertür ganz langsam aufging und mein Dad den Kopf reinsteckte und meinte, Jo sei da… Ich antwortete reflexartig: „Bin im Bett.“ Aber natürlich ließ mich das nicht los. Was wollte dieser Typ hier? Der kommt nie…
Ich konnte nach der Aktion von meinem Dad weder schreiben, noch lesen, noch schlafen. Nicht mal Schokolade machte mich glücklich. Und dann fasste ich allen meinen Mut zusammen. *
Und verließ mein eigenes Nest im Bademantel, den ich so hasse. Hab aber nichts anderes. Also Bademantel vom Tchibo mit Streifen, dämlicher Schnitt und dem Herz auf der Stelle, wo’s hingehört. Angeblich.
Mein Plan war folgender: In Memo an meine Story mit der Disko ging ich die Treppe runter mir was zu trinken, genauer gesagt eine Fachingerflasche zu holen. Und ich sah im Spiegel zwei Personen vorm Fernseher hocken und über Sportergebnisse philosophieren. Mit der Flasche redete ich mir ein, stark zu sein. Doch ich war kurz vorm Zusammenbruch. Ich bog um die Ecke, sah Jo, und sagte tonlos „Hallo“, womit mein Potenzial auch schon weg war. Man begrüßte mich freundlich und Jo meinte, ich solle mich doch dazusetzen. Ich vergaß den Bademantel, sah ihm in die Augen, was er zur Überraschung auch tat. Am liebsten würde ich ihm um den Hals fallen, oder an den Hals springen und ihn würgen? Ich tat also das, was man in einer Situation macht. Trank aus der Flasche und glotzte auf den Bildschirm. Jo sah mich immer noch an und ich beschloss mit dem Killerblick zu kontern. Mein Vater neben mir sah uns solidarischerweise nicht zu. Jo meinte, ich solle nicht so gucken, worauf ich kurz wieder auf den Bildschirm sah und dann aufstand und meinte: „Ich geh dann mal…“ Jo sah mich an. Und es war der schönste Blick, den ich jemals sah…und als er dann sagte: „Ich bin wegen dir hier!“ machte es klick in meinem Hirn und ich setze mich wieder, weil ich sonst umgekippt wäre. Der Klick verriet mir, warum er hier war. Natürlich. Warum auch sonst….
Er fragte meinen Vater „Darf ich“. So unbeschreiblich höflich und er meinte dann komplett verlegen…“Wie soll ich nur anfangen…du bist intelligent, siehst gut aus,…“ Und ich meinte nur kalt: „Komm auf den Punkt.“ Dann fragte er mich, was ich von Kai wolle. Ich meinte „Nichts“ Dann fügte er hinzu: „Und er von dir?“ Als ich nur mit den Schultern zuckte fing er eine umständliche Erklärung an, warum man mit so jemandem nichts anfängt, nicht ins Bett geht, etc. Und ich brachte es fertig zu kontern mit der Frage: „Hältst du mich für so dumm?“ Ich brachte ihn komplett aus dem Konzept. Es kam mir vor, als gäbe es einen Text, an den er sich halten müsse. Als er antworten wollte sagte ich entschlossen: „ICH bin nicht DUMM.“ Und zog damit einen Strich unter seinen Text. Oder besser gesagt: Strich den Text ganz.
Er war happy darüber. Mein Vater, der nervös neben mir durch die Programme zappte, schwieg immer noch. Nur was sag ich jetzt Kai?!
Dass Jo an diesem Abend da war, machte alles noch schlimmer. Er redete von unserer Beziehung (die wir nicht haben), von unserer Zukunft (die es nicht gibt) und davon, dass er eifersüchtig war…und jetzt? Ist das nur ein Trick?! Ich kann es nicht mehr einordnen. Und ich will Kai nicht wehtun indem ich den Kontakt abbreche. Ich komme damit klar. Ich bin so herzlos…aber es ist unfair. Ich habe ihn jedoch gewarnt…ich habe gemeint, ich bin die, die verlässt und nicht die, die man verlässt. Er meinte, ob ich das auch mit ihm machen würde. Mir erschien die Frage schon so blöd, also antwortete ich mit der knallharten Wahrheit: „Ich kann für nicht garantieren.“
Ich muss darüber nachdenken…ich stehe vor einem nahezu unlösbaren Problem.
Nichts machen kann ich nicht, weil ich die ganze Zeit schon nichts mache und mich treiben lasse. Aber irgendwie bin ich gerade zu weit auf dem Meer und weiß nicht mehr wo das Land ist. Bei Windstille.
Ich kann zu Kai nicht den Kontakt abbrechen, weil das wirklich gemein ist. Und was hab ich dann von Jo? Er ist auch nicht der tollste…und außerdem immer betrunken. Ich hab dann nur das <3…bzw…oder auch das </3…doch egal, Jo ist zu wichtig und ich kann mich nicht gegen ganz V. stellen…
Und wenn ich eben Kai die Chance zur Freundschaft gebe, verliere ich alles andere. Jo, V. … einfach alles. Und so sehr traue ich ihm wieder auch nicht. Aufgrund dessen, was war. Und das werde ich ihm auch sagen. Er kann nicht von mir erwarten, dass alles spurlos an mir vorbei geht. Ich bin immer noch ich. Und man kann vergeben aber nicht vergessen.
…
Vielleicht muss ich mich auch nicht entscheiden?! Aber ich will etwas in die Hand nehmen…entweder Jo…oder Kai helfen.
Ich denke, ich hole mir mal eine zweite Meinung ein. Von meiner besten Freundin, die auch ein Problem hat. Ein ähnliches wie Teesorte. Nur, dass es bei ihr ein Flensburger ist…aber erwarten tu ich nichts. Mein Psychiater aus P. aus M., der nicht wirklich mein Psychiater ist, reist momentan in der Weltgeschichte rum und hat wahrscheinlich auch keinen Plan, was ich jetzt machen soll. Er würde wohl meinen, ich soll endlich mit dem Scheiß aufhören und die Kneipe wechseln…am besten auch die Stadt…
*Und im Nachhinein bedeutet mir das so viel, dass ich am liebsten alles auf einmal machen würde. Es ist eines dieser Gefühle, deren Entstehungsphase mich erst schockt, dann aufwühlt und die ich nie enden lassen will. Und am liebsten wäre ich gestern Abend aus dem Fenster gesprungen, vor Freude, vor Trauer. Hätte geweint, was auch bedingt passiert ist. Hätte gelacht. Hätte laut geschrien um einfach diesen Schwall von Gefühlen ertragen zu können bzw. etwas an die Umwelt abgeben zu können. Sonst wäre ich geplatzt. Kann ich aber schlecht. Zu laut. Also hilft in dieser Situation nur hemmungsloses Schreiben. Den Gedankenflash festhalten, ihm eine Form zu geben.
An dieser Stelle möchte ich übrigens dem Anon mit seinem Blog danken, dass er mir mit dem Wort eine Tür geöffnet und dem ganzen „Kram“ dahinter einen Namen gegeben hat.