Die schizophrene Diva

In Anlehnung an die innere Stimme aus Dangerous Mood.

Verwirrend, aber ausbaufähig.

Sie hatte es versucht. Aber die letzten Männer, die sie „besessen“ hatten, waren es nicht. Sie verstanden sie einfach nicht. Sie gaben ihr nicht das Gefühl, das sie brauchte, nach dem sie sich sehnte. Sie gaben ihr gar kein Gefühl. Sie nahmen sich entweder ihr Herz oder ihren Körper. Aber ihre Seele und ihr Verstand erschienen ihnen als nichts. Vielleicht begegnete sie auch immer den falschen Männern. Vielleicht war sie aber auch zu wählerisch.

Und so beschloss sie mit den Männern abzuschließen und sich einfach nichts mehr zu widmen. Nur ihrem leeren, eintönigen Leben, dem nur sie selbst die Erfüllung geben konnte. Sie begann nachzudenken. Über das Leben. Über die Dinge. Sie versetzte sich in die Lagen aller Standpunkte, und hinterfragte alles, bis sie soweit war, gegen sich selbst zu argumentieren. Das alles verwirrte sie allerdings, weil auf einmal alles und nichts stimmen konnte. Weil es so viele Lösungen und Möglichkeiten gab. Weil alles relativ war.

Aber sie dachte weiter nach. Sie gewöhnte sich an, mit sich selbst zu reden. Es machte ihr sogar Spaß. Sie ignorierte die Männer, die hinter ihr hersahen. Ignorierte alle anderen Menschen. Sie hatte sich.

So lernte sie mit den Dingen umzugehen; sie zu analysieren und zu verstehen. Aber eines war ihr immer noch ein Rätsel geblieben… Es gab einen Punkt, der sie immer fast zur Verzweiflung brachte und den sie sich nicht erklären konnte.

Das Leben vieler schien sich nämlich nur um Sex, heiraten und Kinder zu drehen. Aber vor allem um Sex. Und daran fand sie kein Interesse. Dazu war sie nicht oberflächlich genug. Dazu konnte sie sich nicht genug entspannen. Fallen lassen. Gehen lassen. Es war eine Last, wenn sie nicht liebte. Und sie schwor sich nicht mehr zu lieben, kein Empfinden mehr zu haben und sich den Männern nicht an den Hals zu werfen. Und wenn sie sich dann doch verliebte? Liebe kann man nicht steuern. Aber Liebe endete nur damit, dass man ihr Herz brach. Liebe fing ja nicht einmal an. Lieben würde sie nie wieder. Und sie wollte auch nicht geliebt werden. Sie wollte niemandem wehtun. Und doch passiere es immer wieder. Sie hatte nichts gegen die Menschen. Sie redete gerne. Aber mit Männern reden ist das immer so eine Sache. Sie beschloss die Welt zu hassen. Die Leute, die ihr nicht zuhörten. Die Männer, die sie mit ihren Augen auszogen. Die Frauen, die sie dafür hassten. Sex macht unglücklich. Jemanden zu begehren macht unglücklich. Sie verstand nicht, wie jemand sich des Momentes erfreuen konnte. Sie beschloss keinen Sex zu haben. Sie beschloss vieles…

Doch ihre innere Stimme wehrte sich. Sie meinte, dass das alles nicht funktionieren würde. Dass jeder einen Partner brauche und es nicht gut sei sich deswegen von den Menschen abzukapseln. „Aber die denken doch alle eh nur an Sex und das kann und will ich denen nicht geben. Ich will kein Sexobjekt sein!“ „Dann jammer nicht rum und sei still! Aber eins sag ich dir: Sex ist das das normalste auf der Welt und gehört dazu wie Saufen, Rauchen und Arbeiten. Die einen treiben’s halt mehr, die anderen weniger. Aber die Welt dreht sich nicht nur darum. Das ist Nebensache. DU machst es zur Hauptsache und damit zum Mittelpunkt deines Denkens. Und es wird dich so lange plagen bis du als Jungfrau stirbst.“

Ich war sauer. Ich hatte Kopfschmerzen. Aber vor allem hatte ich mal wieder Recht. Nein, mein zweites Ich hatte recht. Ich hasste sie. Ich liebte sie. Aber ich konnte nicht ohne sie. Sie war immer gegen mich, aber irgendwie doch für mich. Sie zwang mich Contenance zu bewahren, nicht durchzudrehen, das richtige zu tun. Sie wusste alles über mich und kannte meine Macken. Meine Stärken und vor allem baute sie mich auf, wenn niemand da war. Wozu brauchte ich Menschen, wenn ich doch mich selbst habe?, dachte ich manchmal. Aber allein an ihrem unsichtbaren, leicht spöttischem Lächeln merkte ich, dass ich auch einer bin. Etwas schizophren und fast schon egomanisch, aber nicht dumm. Ich beschloss mich nicht mehr aufzuregen. Wir lächelten.

Posted by Journey

Kategorie: (Kurz)geschichten

Autor: Journey

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