Was Krankheiten angeht, bin ich ein typischer psychosomatik-Kandidat. Das bedeutet: Wenn ich krank bin, dann geht dieser Krankheit in den meisten Fällen etwas Psychisches voraus… oder eben Stress.
Seit fast zwei Wochen bin ich nun also krank und war die letzten drei Tage sogar krankgeschrieben, was ich ansonsten nie bin. Ich achte immer darauf, dass ich irgendwie doch was mache und verfügbar bin… aber gut ist das nicht immer…
Es fing an mit einem „kleineren“ Zusammenbruch, bei dem mich die Gedanken an die schwere Last der Probleme um mich herum (mal wieder) erdrückt hat. Ich dachte, ich hätte es geschafft, mich endlich besser davon zu distanzieren, doch ich stellte fest, dass ich die Gedanken einfach nur verdrängt hatte und bereits eine Kleinigkeit ausreichte, um richtig durchzudrehen. In mir hatte sich so vieles angestaut, vor allem ein unbändiger Hass auf mich. Madame S. hatte mich also voll im Griff. Ich bekam kurz darauf Halsschmerzen und wusste, dass ich nun auch an der Reihe war, krank zu werden. Aber ich riss mich zusammen und blieb halt im Homeoffice und guckte, dass ich das mindeste hinbekomme. Solange ich arbeitete, ging es auch, doch was ich eigentlich brauchte war absolute Ruhe von allem…
Mittlerweile kam auch noch ein Husten dazu, der mal besser, mal schlechter wurde. Ich schluckte Grippostad, nahm Bronchikum, Zäpfchen, erhöhte meine Pillendosis, trank literweise Kräutertee, kochte vier Stunden meine Spezialsuppe… doch nichts half so richtig. In den schlimmsten Fällen hustete ich so krass, dass sich meine Luftröhre so anfühlte, als könnte ich nur noch 10 % davon nutzen. Vieles davon war wohl auch der Panik geschuldet…
Nach der zweiten durchhusteten Nacht war der Leidensdruck dann so schlimm, dass ich am Morgen sogar zu meinem Arzt bin, den ich seit meinem letzten Besuch mit meiner tischtennisballgroßen Schleimbeutelentzündung im Ellenbogen nicht mehr ganz so mag. Danach habe ich mich nämlich ganz und gar nicht ernst genommen und einfach nur mies gefühlt.
Ohne Observer wäre ich mit meiner jetzigen Erkrankung wohl nicht hin, auch wenn seine Unterstützung mir im Behandlungszimmer leider nichts gebracht hat, weil ich da auf mich alleine gestellt war. Dafür war er aber nach meinem Arztbesuch für mich da, als ich völlig aufgelöst und heulend mit ihm nach Hause gelaufen bin. Mich hat das einfach wieder total fertig gemacht…
Ich weiß ja, dass mein Arzt mega viel zu tun hat, krass unterbesetzt ist, genervt ist vom Stress und weitaus ernstere Fälle als mich hat… aber wenn man mir eins nicht vorwerfen kann, dann ist es, dass ich wegen jedem Scheiß hinrenne und mir irgendetwas ausdenke… im Gegenteil! Ich seh immer zu, dass ich selbst klar komme. Das könnte aber auch daran liegen, dass ich Probleme damit habe, zum Arzt zu gehen bzw. mein Leiden ernst zu nehmen. Wo andere den Notarzt rufen, steige ich auf meinen Tretroller und fahre mit offenem Knie weiter. Man muss mich auch mit gebrochenem Arm zum Arzt schleifen. Wenn ich mich also mal traue, dann will ich nicht das Gefühl haben, dass alles ja nicht so schlimm und meine Anwesenheit Zeitverschwendung ist.
Leider kann mir mein Arzt sehr gut diese Gefühle geben und er hätte mich sogar mit leeren Händen weggeschickt, weil aus seiner Sicht alles okay war. Das hat mich so schockiert, dass ich mit unterdrückten Tränen verzweifelt versucht habe, ihm irgendwie zu erklären, wie scheiße es mir eigentlich geht, damit er mir irgendetwas verschreibt gegen diesen miesen Husten, der mich in den Wahnsinn treibt. Zum Glück hat er mir dann auch was verschrieben (Capval zum Selberzahlen…). Als er mich fragte, ob ich eine Krankmeldung brauche, war ich jedoch verunsichert. Ein Teil von mir hielt das für sinnvoll, der andere fragte sich nur: ‚Kannst du dir das leisten? Geht das nicht auch ohne? Du kannst ja im Homeoffice arbeiten…‘ Ich druckste also rum, bis mich der Arzt genervt fragte: „Soll ich jetzt eine ausstellen oder nicht?!“
Ich bejahte und nach drei Tagen „Pause“, die ich echt dringend nötig hatte, bereue ich es auch nicht! Das ausgesteckte Telefon, die Ruhe und die Tabletten haben mir gut getan. Der Husten ist zwar noch da, aber nicht mehr so schlimm und er raubt mir auch nicht mehr die Luft zum Atmen.
Und trotz allem habe ich ein schlechtes Gewissen…und etwas in mir fragt mich: Habe ich diese „Pause“ überhaupt verdient? Andere hätten die auch gerne. Das ist Luxus… Jetzt kannst du ja wieder atmen, also beweg deinen Arsch!
Ich glaube kein Mensch auf der Welt könnte mir je so schaden, wie ich es selbst mache… keiner könnte je so hart zu mir sein, wie ich es bin… und das ist die schlimmste Krankheit überhaupt…