Es gilt in der heißen Phase, kurz vor den Klausuren, ruhig und selbstsicher zu bleiben. Und es gilt ebenfalls, vorbereitet zu sein, noch bevor jeder andere überhaupt daran gedacht hat, dass gelernt werden muss. Damit kann man seine zart besaiteten Mitmenschen in den Wahnsinn treiben und ihnen ein schlechtes Gewissen machen. Dazu gehören natürlich noch die typischen Aussagen wie „Ach, ich habe gar nicht so viel gelernt“ oder „Ach, ich habe erst am Abend vor der Klausur angefangen…“ Addiert man das mit dem Wissen, dass diese Person sowieso wieder über 10 Punkte schreibt, hat man’s geschafft: Journey bricht zusammen.
Das Abi erscheint mir sehr oft wie ein Machtkampf um Punkte. Und man darf bloß nichts von all dem glauben, was andere einem erzählen. Es hatte für mich sehr lange den Anschein, dass anderen alles so locker flockig von der Hand geht und sie fast nichts machen würden. Daran habe ich mich dummerweise orientiert und am Ende hatte ich 4 Punkte, während der Rest wieder über 10 hatte. Angeblich haben sie nicht viel gelernt, aber das glaube ich nicht mehr. Sicherlich hat jeder ein Fach, in dem er besser ist und fast nichts machen muss, aber für mich sind das eben ein paar Fächer zu viel, in denen keiner lernt. Ich nenne das „Psychospiel“. Bestimmt will mich keiner freiwillig in den Wahnsinn treiben, aber es macht mich dennoch nieder und lässt mich am Ende glauben, dass ich einfach zu schlecht für das alles bin. Das ist, als würde man fallen. Ganz ganz tief…
Ich kam mit dem Gefühl auf die Schule, halbwegs intelligent zu sein und nun bin ich auf den letzten Plätzen und musste feststellen, dass dem gar nicht so ist. Ich habe also begonnen, mich für dumm zu halten und mich selbst nieder zu machen. Doch das, was mich schlecht erscheinen lässt, bin gar nicht ich selbst. Ich bin keine schlechte Schülerin. Schlecht ist nur das Resultat, wenn ich zu wenig lerne und annehme, dass andere die Wahrheit sagen, wenn sie meinen, sie würden auch wenig lernen. Dabei ist lernen ja relativ und lässt sich nicht pauschalisieren. Nur was ist jetzt dumm und was intelligent? Ich habe in letzter Zeit einfach alles an mich herangelassen und bin davon ausgegangen, dass ich dumm bin, weil ich viel lerne und dennoch schlecht bin oder weil ich nichts lerne und noch schlechter bin,…und ich habe gedacht, dass es das beste wäre, das Abi einfach abzubrechen. Ich war überfordert und wusste weder ein noch aus. Und dabei habe ich ganz vergessen, dass sich Intelligenz nicht in Noten messen lässt. Ich habe die Menschlichkeit vergessen. Ich habe vergessen, dass ich ja eigentlich was lernen will und für das, was ich machen will, keinen Schnitt von 1,0 brauche. Ich habe mich unter Druck gesetzt gefühlt und selbst auch unter Druck gesetzt.
Damit mir das nicht nochmal passiert, musste ich wieder jemand werden. Also habe ich den Spieß einfach umgedreht. Die ersten werden nun die letzten sein. Das Abi bleibt trotz Menschlichkeit ein Kampf, der sich nicht so einfach bestehen lässt, den man aber bestehen muss, nein sollte, wenn man schon die Chance hat.
Ich löse das auf zugegebenermaßen sadistischem Weg. Mir geht’s besser, wenn ich sehe, dass ich im Vergleich mit anderen besser abschneide. Das lässt sich leider nicht abstellen, ist aber zum Glück nicht allzu stark ausgeprägt. Ich bin also in Zukunft die, die cool sitzen bleibt und abwartet, wie die Welt um sie herum immer nervöser und verstörter wird. Und je ruhiger ich werde, umso mehr dreht die Welt um mich herum durch. Um so mehr Schüler am Tag vor der Klausur ins Schwitzen kommen, desto besser geht es mir. Ich weiß nicht, ob mir das im Vergleich nur so erscheint, oder ob das auch etwas mit Psychologie zu tun hat. Ich könnte es mir vorstellen.
Während all die anderen also durchdrehen, will ich als einzige dastehen und meistern, was es zu meistern gilt.
Das wichtigste ist wie gesagt: Ruhe bewahren. Ganz viel Ruhe und Geduld zu haben. Dies erreicht man, in dem man mindestens eine Woche im Voraus lernt. Man fährt auf der sichersten schiene, in dem man also alles andere kickt und nur noch lernt. Sein ganzes Dasein nur noch aufgrund von Vokabeln und Karteikarten aufbaut. Und am besten sagt man das keinem. Denn andere sagen einem ja auch nicht, welche Exzerpte sie heute schon geschrieben haben. Diese Methode kostet mich meine Freizeit, meine Kraft und alles andere auch. Aber das ist es mir wert. Ich habe nichts zu verlieren.