Der einzige wandelnde Minirock in K. …

Seit Anfang Mai wohne ich nun schon hier in K. Und gestern Abend überkam mich die Lust, rauszugehen. Ich wollte mich nur ein bisschen unter die Leute mischen und sehen, was es hier so gibt. Und ehrlich gesagt…hier gibt es rein gar nichts zu sehen…

Aus der Kneipe geschmissen wird man in K. zwar auch…aber nicht, weil um halb vier die Bullen kommen, sondern weil es fünf nach zehn ist und die Kneipe schließt. Ich werde eigentlich selten irgendwo rausgeschmissen. Besonders nicht, wenn ich gerade erst reingekommen bin. Aber ich muss feststellen, dass das ein elendes Gefühl ist. Man wird sich seiner Lage bewusst. Und die liegt laut Google Maps in einem Dorf mit zwei Kneipen…

Kneipe Nummer eins kann man also vergessen. Welche Kneipe macht auch an einem Freitagabend um 22 Uhr dicht! Was machen die anderen 6000 Einwohner? So etwas Ähnliches habe ich einen Kerl gefragt, der am Tresen stand und bezahlen wollte…
Ich (gewillt noch mit jemandem zu reden): Hier ist aber nicht viel los.
Er: Hmmm…ja. Ein Dorf…
Ich: *erzählt irgendeinen Mist woher sie kommt*
Er: Hm. Arbeiten Sie hier?
Ich (verwundert, dass er mich so alt einschätzt): Nein, ich gehe zur Schule…und was machen Sie?
Er (sieht mich an wie eine Nutte): Ich warte auf meine Freundin.

Sprach er, zahlte ohne sich zu verabschieden. Daraufhin schmiss mich die Bedienung mit den Worten: „Wir schließen. Eigentlich schon um Zehn…“ aus der Kneipe.

Und erst jetzt wird mir klar, dass der Kerl mich für eine Hauptschülerin gehalten hat. Er war auch ziemlich verwundert, als ich ihm aufzählte, welche Abschlüsse man an meiner Schule erlangen kann…dennoch: Er fand mich wohl doof, weil ich jung war. Er schien so um die 40 zu sein…
In dem Gespräch konnte ich mich also nicht als selbstständig denkende einigermaßen erwachsene Person beweisen…der Typ ließ sich aber auch ziemlich stark vom Äußeren leiten. Junge Leute sind als Gesprächspartner nicht sehr beliebt…

Ich stand auf der Straße, überlegte, ob ich nicht Heim sollte, wollte aber noch die andere Kneipe sehen. Und da war schon mehr los. Die Theke war voll und ich platzierte mich an einen Tisch neben einem Männerstammtisch. Alle samt nette Kerle um die 30/40, aber nicht gewillt mich zu beachten. Ich sah mich um. Mir fehlte das Nest, die Vertrautheit von V., aber aller Anfang ist schwer…
Dass ich die jüngste bin, schien mich wie immer weniger zu stören, als die anderen. Denn ab und zu erntete ich einen skeptischen Blick.
Ich trank mein Bier leer, rauchte zu Ende, zahlte und verließ die Kneipe. Auf Leute beobachten hatte ich keine Lust mehr. Der Abend war gelaufen.

Die ganze Zeit hatte ich im Hinterkopf, dass in V. nun was los sein würde. Freitagabend. Es war vor einem Jahr noch mein Freitagabend…mein Nest, meine ewiglangen Diskussionen mit Jo. Meine Geschichte, verbunden mit anderen bedeutenden Geschichten. Doch hier ist nichts von all dem. Hier ist kein Wirt, der die Leute aufheitert, keine Friseurin, die mich bemuttert, keine Teesorte, die auspackt, kein A., der mir sagt, dass ich nichts im Dekolleté habe. Seltsam…aber das ist das, was ich vermisse. Durch die Schule jedoch habe ich mich immer weiter davon entfernt, bis ich letztendlich in einem Dorf mit zwei Kneipen gelandet bin, wo ich nur über die Straße gehen muss und schon in der Schule bin.
Dennoch gibt es hier nur Blitz und Donner vor dem Fenster. Und gähnende leere in mir. Nächste Woche um diese Uhrzeit werde ich im Nest sein. Komme, was wolle!

Posted by Journey

Kategorie: Allgemein

Autor: Journey

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2 Kommentare        

K ist halt eine Nest. Leider nicht das Nest. Gut zum Lernen. Schlecht für Abwechslung. Warum sollten junge Leute als Gesprächspartner nicht beliebt sein? Nicht das Alter, sondern der Gesprächspartner sind entscheidend.

Naja, ich selbst war auch nie besser. Ich habe genau so die jungen Leute in einen Topf geworfen, wie die ältere Generation es manchmal macht. Und ich wollte lange Zeit nichts mit jungen Leuten zu tun haben…höchstens mit M. Das lag aber nicht nur daran, dass ich mich nicht mit ihnen unterhalten konnte, sondern auch am Mobbing, an der Verachtung, an der Grausamkeit…
Heute sehe ich das nicht sooo eng, denn ich habe gemerkt, dass viele Jugendliche – trotz ihres Alters – bereits viel erlebt haben und auch etwas erzählen können…
Heute ist also die Sympathie bei Jugendlichen wie bei den Erwachsenen ungefähr zu gleichen Teilen vorhanden, wenn es um Gesprächspartner geht.
Aber was ich auch immer wieder mal beobachte ist, dass die ältere Generation lieber unter sich ist. Genauso wie die jüngere. Ich habe auch lange gebraucht, um mich im Nest in Gesprächen zu beweisen. Ansonsten wäre ich immer nur die Tochter von U. gewesen, die halt auch mal da rumsitzt und nicht viel zu sagen hat…heute gehöre ich zur Stammkundschaft, auch wenn ich selten dort bin. ; )
Journey <3

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