Mein Geheimnis…01

Du bist ein verdammt guter Schauspieler, du spielst so gut, dass du dir unbemerkt einredest, du seist du selbst.

Die Kongruenz von Fremd- und Selbstbild sind das Ziel des Johari-Windows. Zumindest sollte das erste Fenster größer sein, als die anderen drei. Irgendwie kommt es mir aber so vor, als wäre das, das darunter liegt, das größte. Ich weiß nicht, ob mich andere für „geheimnisvoll“ halten. Vielleicht eher für still, verschlossen und „zerbrechlich“, was ich schon des Öfteren gehört habe. Und gleichzeitig schiene ich manchmal der Laufbursche für alles zu sein. Ich beschwere mich auch nie darüber. Habe ich noch nie gemacht bzw. wenn ich dann einmal mein Feedback abgebe, falls man das noch als solches bezeichnen kann, dann argumentiere ich aber richtig mit dem Gegenüber… Ich scheine in dieser Hinsicht ein schlechtes Beispiel für das vergeben von Feedbacks zu sein.
Ich weiß eben nie, ob mein Feedback meinem Gegenüber irgendetwas bringt. Früher habe ich das noch oft gemacht, aber mit der Zeit beginnt jeder in seiner eigenen Welt zu leben und sein eigenes Spiel zu spielen.

Allerdings…zu sagen, wen ich am allerwenigsten kenne, ist nicht schwer. Kein Kunstwerk. Es ist nur wie ein Rätsel. Wie der Da Vinci Code. Wie ein Buch von einem genialen Autor, der alles gemeint haben könnte. Nur, dass man die Sätze selbst schreiben muss und einem die Interpretation auch keiner abnimmt. Es ist eine Frau.

Ich war zum Beispiel mit einem Mädchen knapp 20 Jahre befreundet. Aber irgendwie komme ich mir im Nachhinein vor wie der Runner. Wenn ich mir alte E-Mails ansehe, dann kristallisieren sich „Kannst du dies und jenes für mich machen?!“ „Du hast das vergessen!“ und „Hast du schon das gemacht??????“ ihrerseits heraus. Meinerseits lese ich nur „Mach ich doch gerne.“, „Tut mir Leid.“ und letzten Endes „Ich will nicht mehr.“ und „Ich wünsche dir noch einen schönen Lebensabend.“ Der Käse ist sozusagen gegessen. Und auch, wenn das so, wie es da steht, wie pure Ausnutzung klingt, bin ich doch selbst daran schuld. Ich habe das alles sogar gerne gemacht, weil ich sie gemocht habe und wir uns doch schon so lange gekannt haben.
Ich habe in den letzten Jahren auf Typen vor dem Klo gewartet, und nach deren Nummer für sie gefragt, bin um ein Uhr nachts in fünf Minuten ohne Kondition zwei Kilometer gerannt und habe getröstet und gemacht, wenn es mal wieder Ärger 1000 Kilometer weiter bei ihren Flensburgern gab. Und wozu das alles? Wenn ich von mir angefangen habe, hieß es nur, sie könne mir nicht helfen. Aber das auch erst nach tagelangen Szenen. Ansonsten hat sie schön von meinen Gefühlen abgelenkt. Damit hat sie mich jedoch nicht sonderlich abgelenkt. Und schon gar nicht, als ich die Taktik durchschaut habe. Ich habe immer versucht meine Klappe zu halten, wie es so schön heißt. Bis ich das ein oder andermal nicht mehr konnte und am liebsten alles beendet hätte. Jetzt ist wirklich Schluss. Und ich lebe immer noch. Im Endeffekt sprang nichts für mich heraus. Sicherlich gab es das ein oder andere schöne Erlebnis, aber in Prinzip hat man sich irgendwann nichts mehr zu sagen.

Ich bekomme dank solchen Geschichten und meinen Mitmenschen immer mehr den Eindruck, dass wir alle Schauspieler sind und keiner eigentlich eine Ahnung hat, wer er ist, wie er ist und was er eigentlich will..

Ich war damals eher eine Art Kamerafrau, die allen zuhören und helfen durfte, aber nicht fähig war selbst schauzuspielern. Dann begann sich auf einmal das Drehbuch ganz von selbst zu schreiben. Und ab da habe ich es in die Hand genommen und allerlei verrückte Sachen gemacht, die mein Geheimnis für viele sind.
Es ist allerdings eigenartig: Manchmal sitze ich irgendwo neben einer mir völlig unbekannten Person und erzähle diesem Menschen eines dieser Geheimnisse, welche an sich keine großen Sachen sind, aber eben nur die wenigsten wissen. Dafür erzähle ich diesem Jemand wiederum den Rest nicht.
Es ist wohl einfach eine Sehnsucht in mir, die sich liebend gerne mitteilt, auch wenn ich zum Unterricht nie etwas beitrage, ansonsten auch nicht viel sage und zu denen gehöre, die auf „Wie geht’s“ immer „gut“ antworten, auch wenn dem so nicht sein sollte.
Zu einem Freund von mir hat einmal jemand gesagt, ich sei komisch, weil ich nur in der Gegend herumstarren würde. Aber wenn man gerade nichts Aufregendes erlebt, dann muss man sich das eben ausdenken. Es reicht mir hierbei an das Leben an sich zu denken. Das ist mit Abstand aufregend genug…

Mich beschäftigt dieses Thema mit den Schauspielern allerdings schon länger. Ich spiele selbst irgendwie alle möglichen Rollen. Das wurde schon einmal für mich zum Problem. Und zwar bei meiner Abschlussfeier. Ich mag mein Elternhaus gewissermaßen, aber prinzipiell weiß jeder, der in V. herumrennt mehr über mich, als meine eigenen Eltern. Und da das so ist und ich die beiden als hervorragende Schauspieler kenne, wenn es darum geht, ein wenig stolz zu zeigen, bin ich alleine zu der Feier gegangen. Meine Lehrerin war schockiert gewesen, weil ich ihr immer so makellos erschienen war. Ich sei ein Paradebeispiel gewesen, sagt der Direktor auch heute noch zu mir. Aber ich habe einfach geahnt, dass ich untergehen würde wie die Titanic, wenn beide Welten aufeinanderprallen würden.

Es kommt mir vor, als sei mein Inneres ein Ei, das in Papier eingewickelt aus dem Fenster geschmissen wird. Außen sieht alles gut aus. Aber drückt man ein bisschen daran herum merkt man, dass es kaputt ist. Wie eine Seele…

Man kann sich sein Leben ausdenken, oder mehrere, doch im Inneren wird man immer dieselbe Person sein. Eine zersplitterte Seele, deren Milliarden kleine Teilchen wie Staub im Inneren des Körpers gleiten und sich nicht einfangen lassen. Wie Gedanken. Sie lassen sich nicht einordnen, weil sie alle irgendwie zusammenhängen.

 

(Das kursiv geschriebene sind übrigens Zitate aus Texten von mir)

Posted by Journey

Kategorie: Lerntagebuch

Autor: Journey

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