Von schwarzen Schäfchen und Mäuschen

Es war einmal in einem Land – weit weg von der Welt, wie wir sie kennen – ein Feld auf dem schwarze und weiße Schafe lebten. Überwiegend lebten jedoch weiße Schafe dort, wodurch die wenigen schwarzen natürlich sehr auffielen. Und so kam es nicht selten vor, dass ein kleines Schäfchen keinen Anschluss fand. Eines dieser schwarzen Schäfchen war ein männliches, welches früh lernen musste, wie grausam das Leben sein kann. Er wurde von seiner Mutter weggegeben, kannte den Vater nicht einmal und wuchs somit in einem Heim auf und war von Anfang an auf sich alleine gestellt. Zudem wollten die weißen Schafe auf dem Feld das schwarze Schäfchen nicht wirklich anerkennen und sahen die Wollfarbe als Bedrohung und etwas Schlechtes an. Sie fragten, ob seine Wolle schmutzig sei, weil er sich nie waschen würde und lachten ihn aus, weil die Wolle doch keiner kaufen würde. Sie beschimpften ihn als schmutziges Schäfchen und legten sich mit ihm an. Kurz: Er fand nicht nur gar keinen Anschluss, er wurde damit fürs Leben gestraft, obwohl er gerade im Inneren sogar noch anders, besser war, als die anderen! Er war ganz und gar kein dummes Schäfchen. Aber solange er nicht weiß war, war es hoffnungslos…
Und so kam es, dass das schwarze kleine Schäfchen mit der Zeit große Hörner bekam, mit denen er aus Hass auf alle auch jeden verjagte, der ihm zu Nahe kam. In ihm schlummerte die tiefe Angst, wieder und wieder verletzt zu werden. Alle anderen Tiere erschienen ihm somit schlecht und er ließ keines mehr an sich heran.

Zu jener Zeit wurde weit abseits auf einem anderen Feld ein Mäuschen in einem guten Hause geboren, das ein ganz anderes Leben führte. Es war eine kleine Prinzessin, die fast immer bekam, was sie wollte, solange man es kaufen konnte. Irgendwann merkte sie, dass sie sich die ganze Zeit etwas vorgemacht hatte und das Leben eigentlich anders läuft…
Es begann damit, dass die anderen kleinen Mäuschen sie auslachten, weil die Mäuseohren nicht fein genug waren und weil sie allgemein nicht das schönste Mäuschen war. Sie sah auch immer anders aus, als die anderen Mäuschen. Viel heller, klein und zerbrechlich. Und so wurde das Mäuschen auch im Inneren nur klein gemacht von der ganzen Umgebung. Sie musste sehr früh feststellen, dass jeder nur sein eigenes Leben lebt und an sich interessiert ist, weil ihr das die Eltern so demonstrierten. Und für des Mäuschens Probleme, Ängste und Sorgen interessierte sich somit niemand.
Und so verließ sie den Mäusebau in der Hoffnung, dass sie ihr Leben alleine hinbekommen würde. Dem war aber nicht so und es besuchte eine Klinik, damit sich vielleicht das verfluchte Leben doch noch ändert. Sie hatte Glück, denn das war der Fall. Nach und nach kam alles ins Reine und zudem erlebte das Mäuschen die schönste Zeit ihres noch so jungen Lebens. Sie lernte dort viele andere interessante Tiere mit ihren Problemen kennen. Da war zum Beispiel das schwarze Schäfchen mit der dunklen Vergangenheit, das mittlerweile noch größere Hörner bekommen hatte und ein ausgewachsener Schafbock war. Er hasste weibliche Wesen, allgemein alles und jeden und beschloss, dass er lange genug nett gewesen war. Er lebte in seiner Welt mit seinen Regeln und da konnte eben niemand mithalten. Komiswcherweise verstand er sich aber sehr gut mit dem schönen Pfau. Der Pfau war eine Sie und freundete sich besonders mit dem Mäuschen und mit dem schwarzen Schaf an. Im Grunde hatten das Mäuschen und das Schaf jedoch wenig miteinander zu tun, bis das Mäuschen erlebte, wie das Schaf austickte. Das Mäuschen hatte wie so oft einen Fehler begangen. Sie neigt leider zu sehr vielen Fehlern, da sie sich auch oft selbst als den Fehler an sich sieht.
Und so kam es, dass alle mehr oder weniger im Streit auseinandergingen…

Später, als sich alles wieder geklärt hatte, trafen sich das schwarze Schaf und das Mäuschen ein zweites Mal bei dem schönen Pfau und verbrachten einen Tag zusammen, bis wieder alles auseinander ging. In dieser Zeit widmete sich das Mäuschen sehr dem schwarzen Schaf und begann, sich für ihn zu interessieren. Sie erfuhr sehr viel über das Schaf und auch das Schaf erfuhr sehr viel über das Mäuschen. Beide erfuhren, dass sie total beziehungsunfähig waren. Er ließ seit Jahren kein weibliches Wesen im Abstand von einem Meter an sich heran. Ebenso das Mäuschen hatte wieder einmal schmerzhaft feststellen müssen, dass Liebe etwas Böses ist und nur wehtut. Und so trafen sie sich beim Mäuschen in dem Sinne, dass ja nichts passieren könnte. Er hasste Weibchen, sie hasste alle Männchen – perfekt! Nur kam alles anders als geplant…

Da das Mäuschen sehr klein war, schaffte sie es irgendwie durch die Hörner des schwarzen Schafs hindurch…und auf einmal waren sie sich ganz Nahe und….verleibten sich. Sie schufen etwas Neues, einzigartiges und zerstörten gleichzeitg durch diese Beziehung irgendetwas, das es ihnen bisher möglich machte, sich zu verständigen. Nun zeigten ihnen die Realität, ihre Vergangenheit und ihr Wesen an sich jedes Mal aufs Neue, wie verschieden sie doch waren. Das Mäuschen quiekte undentwegt, aber das Schaf verstand keinen Laut und war damit überfordert. Es zog sich zurück, weil es auch so schon genug Probleme hatte. Doch das Mäuschen quiekte weiter im Kopf, weil es sich nicht mehr traute, den Mund zu öffnen. Es wollte der Realität nicht ins Auge blicken. Es wollte Liebe, Aufmerksamkeit, das Schaf verstehen, vom Schaf verstanden werden, mit ihm durch die Felder ziehen auf der Suche nach der ersten richtigen Heimat für beide. Doch es kam nie dazu. Das Mäuschen träumte alleine und für sich…es hatte Angst zu quieken, Angst zu denken, Angst aufzustehen…es hoffte auf ein Wunder, das nicht kam.

Und so leben sie bis heute zu weit auseinander und sind nur verbunden durch die Sprache der Liebe, die auf diese Distanz nicht funktioniert. Es gibt keine Lösung, kein erträgliches Ende. Jetzt, wo sie sich gefunden haben, darf es keines geben! …oder ist es so wie immer…und alles endet?

Gibt es niemals das wir, gibt es nur mich?

Wo bin ich hier, lebt jeder für sich?

Posted by Journey

Kategorie: (Kurz)geschichten

Autor: Journey

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