Leistungsmotivation
Dass man die Schule wechseln sollte, wenn man so langsam zum „Schulversager“ wird, lässt sich natürlich nicht nur auf die Hochbegabten übertragen. Ich zum Beispiel war mies in der Grundschule und hätte eigentlich auf die Hauptschule kommen müssen. Da ich allerdings noch eine Art „IQ-Test“ mit logischen Rechenaufgaben, Formen und Wörtern gemacht habe, war ich zur Überraschung aller so gut, dass aus meinem miesen Grundschulzeugnis mit dringender Empfehlung, die Hauptschule zu besuchen, die Empfehlung fürs Gymnasium wurde. Nachgekommen bin ich dem aber nicht und habe mich einfach für den Mittelweg, die Realschule, entschieden. Doch die Leistungen in der Schule wurden immer mieser und mieser und letztendlich saß ich am Ende der 8. Klasse mit fünf Fünfen da. Ich hatte seit zwei Jahren weder Hefte geführt noch Vokabeln gelernt. In der Schule war ich auch nie, weil ich ständig krank war. In einem Jahr war ich sogar vier Mal im Krankenhaus wegen allem Möglichen. So im Nachhinein kann ich mir allerdings denken woher das gekommen ist. Die Motivation ging nämlich nicht nur gegen Null, sondern auch noch gegen Minus Unendlich, um es mit den Worten meines Mathelehrers zu erklären.
Meinen ersten Text schrieb ich am letzten Schultag im Eiscafé. Alle lachten mich aus, weil ich kein Eis aß und irgendwelche Gedanken aufschrieb. Doch irgendwie war ich zu vertieft, um da noch zuzuhören. Ich musste diese ganzen Leute nie wieder sehen. Und ich hatte die Chance, auf der Hauptschule noch mal ganz von vorne anzufangen. Mit Motivation, die dann zwar auch immer wieder ins Schwanken geriet, aber ich schloss dennoch die Werkrealschule mit einem 2,0-Schnitt ab.
Ich denke bei den Hochbegabten, die zu „Schulversagern“ werden, wird es nicht anders sein. Jeder von ihnen hat sein(e) Talente und ich denke, wenn man die erst mal in den Menschen geweckt hat und diese fördert, können sie sich auch motivieren.
Kristallisierte und fluide/flüssige Intelligenz
Bis 25/30 sollen diese beiden Arten von Intelligenz ansteigen, danach durchschnittlich auf einem konstanten Niveau bleiben und irgendwann im hohen Alter langsam absinken. Natürlich ist das nur der ungefähre Richtwert des Durchschnitts und die Wissenszunahme durch die kristallisierte Intelligenz nimmt bei manchen Erwachsenen immer noch zu. Oder sie sinkt rapide ab, wie es bei meiner Oma (mitte 70) der Fall war. Was sie nun macht, muss ich nicht weiter erläutern, aber die Merkfähigkeit hat in den letzten Jahren extrem abgenommen. Und zudem hat sie auch noch alleine gewohnt, was bald nicht mehr der Fall sein wird, weil das nicht mehr funktioniert und man sie nicht mehr alleine lassen kann.
Wenn ich so an sie zurückdenke, habe ich in all den Jahren, in denen ich sie in Prag besucht habe, aber auch nie einen Fortschritt erlebt. Sie hat sich früher sehr für Krimis interessiert. Allgemein für Fernsehen. Gelesen hat sie auch gerne. Aber heute ist das nicht mehr möglich. Heute stehe ich mit ihr im Aufzug und sie fragt mich, wer ich bin. Eigentlich schade. Eine intelligente Frau, so denke ich, die einfach im Alter vereinsamt ist und keine Anreize mehr gefunden hat.
Hingegen kenne ich einen 70-jährigen, mit dem ich auch oft an der Theke saß. Wir philosophieren eigentlich immer über Gott und die Welt, wenn wir uns sehen. Er sagt mir dann, welches Lexikon er gerade liest und erklärt mir, wie man ein bestimmtes Rezept nachkocht. Er ist ziemlich fit für sein Alter. Fitter als so mancher 50-jähriger, der nur dasitzt und in sein Glas blickt.
Der Kontrast ist schon ziemlich extrem. Während bei meiner Oma das Wissen (kristallisierte Intelligenz) nicht mehr zunimmt und somit wohl auch die Merkfähigkeit und andere Operatoren (flüssige Intelligenz) abnehmen, steigert der „philosophische Harry“ sein Wissen und merkt sich auch noch enorm viel davon.
Ich denke, beide Intelligenzen beeinflussen sich bei der Wissensaufnahme genauso wie bei der Wissensabnahme. Nur frage ich mich gerade, ob beim Alzheimer eher die Operatoren zur Wissensaufnahme verkümmern oder ob es doch damit zusammenhängt, dass nichts Neues mehr gelernt wird und kein Wissen mehr nachkommt…
„Versagen fällt Hochbegabten mehr ins Auge“
Der Satz hat mir gut gefallen, da er mich an mich erinnert. Ich bin zwar nicht hochbegabt, aber mir fällt auch sofort ins Auge, wenn ich etwas nicht gut genug gemacht habe…