Ab wann ist man Philosoph?

Ich habe Google diese Frage gestellt, da ich gerade das Buch Sofies Welt als Hörbuch höre und ich mich mit der darin beschriebenen Definition eines Philosophen wirklich sehr identifizieren kann…

„Die Fähigkeit, uns zu wundem, ist das Einzige, was wir brauchen, um gute Philosophen zu werden.
Obwohl die philosophischen Fragen alle Menschen angehen, werden nicht alle Menschen Philosophen. Aus unterschiedlichen Gründen werden die meisten vom Alltag dermaßen eingefangen, daß die Verwunderung über das Leben weit zurückgedrängt wird. Für Kinder ist die Welt- und alles, was es darauf gibt – etwas Neues, etwas, das Erstaunen hervorruft.
Die meisten Erwachsenen erleben die Welt als etwas ganz Normales. Ein Philosoph hat sich nie richtig an diese Welt gewöhnen können. Für einen Philosophen oder eine Philosophin ist die Welt noch immer unbegreiflich, ja, sogar rätselhaft und geheimnisvoll. Du kannst sagen, daß ein Philosoph sein ganzes Leben lang so aufnahmefähig bleibt wie ein kleines Kind.“

Und eigentlich empfinde ich mich auch als genau das: Als Philosophin.
Ja… eigentlich… und uneigentlich?
Uneigentlich bin ich es irgendwie auch nicht. Paradoxerweise interessiert es mich mal wieder brennend, wer oder was ich eigentlich bin (eine der zentralen philosophischen Fragen), so ohne abgeschlossenes Studium in diesem Bereich und ohne die komplette Philosophiegeschichte auswendig gelernt zu haben und mit anderen Studierten darüber debattieren zu können…
Und ja, vermutlich kann das keiner mehr hören, aber die Frage nach meinem Wert ohne Abitur und Studium wird immer in meinem Leben bestehen bleiben, da ich weder das eine noch das andere habe. Doch ich will jetzt nicht rumjammern und suche auch nicht nach einem Weg das zu ändern… vielmehr sehe ich das ganze Thema als Kernproblem – nicht nur in meinem Leben, sondern allgemein in dieser Gesellschaft.

Denn wer bin ich ohne „relevanten“ Abschluss?

Wer bin ich als Hauptschülerin mit erweiterter mittlerer Reife?

Wer bin ich als Abiturientin ohne Studium und Ausbildung?

(Warum kann ich nicht einfach glücklich sein?)

Warum wird so verdammt viel Wert darauf gelegt, was ich wann wo wie gemacht habe und mein Gefühl für meine Intelligenz und allgemein für meine gesamte Person so dermaßen untergraben, dass sich daraus auch nichts entwickeln kann? Warum kann ich noch so viel lesen und lernen und mein Wissen ohne die Bestätigung für all das eigentlich als „wertlos“ ansehen? Warum sorgt gefühlt alles um mich herum dafür, dass ich mich genau so fühle wie das, was ich auf dem Papier habe? (Also wie nix?) Warum definiere ich mich dadurch? Ist es nur mein zu geringer Selbstwert, der mich in diese Rolle drängt?
Doch wenn wir alle mal ehrlich sind…: Existiert all das denn wirklich nur in meiner Einbildung?


 

Eine sehr schöne Antwort auf meine Eingangsfrage war übrigens dieser Satz hier, der mir nicht nur eigentlich, sondern definitiv aus der Seele spricht:

Philosoph wird man durch Denken, nicht durch Abschlüsse. 

 

Und ebenso schön beschrieben finde ich auch die Definition auf dieser Seite:

Wer ist ein Philosoph?
Philosoph ist kein geschützter Begriff. Philosoph darf sich nicht nur nennen, wer einen akademischen Grad in diesem Fach hat. Jeder, der philosophiert, kann sich als Philosophen bezeichnen. […] Ein Mensch, der Philosophie studiert hat, ist ein Philosophiegelehrter. Und wie in anderen Berufen gibt es auch hier bessere und schlechtere, die verschieden viel gelernt haben und ihren Beruf unterschiedlich gut machen. Unter den Philosophiegelehrten gibt es auch Philosophen. Aber nicht jeder Philosophiegelehrte ist Philosoph.“

 

Es ist wirklich sehr paradox, denn durch hinterfragende und kritische Beiträge wie genau diesen hier bin nichts anderes als eine Philosophin…
Und wisst ihr was? Dabei bleibe ich jetzt auch!

Ich bin jetzt einfach eine Philosophin.

(Auch wenn es mir nach wie vor verdammt schwer fällt, mich dazu ohne Papierkram berechtigt zu fühlen… aber who cares? Es wird Zeit sich zu reiben… und damit auch unangenehme Fragen und Gespräche zu riskieren!)

Posted by Journey

Kategorie: Allgemein

Autor: Journey

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8 Kommentare        

Denn wer bin ich ohne „relevanten“ Abschluss?Wer bin ich als …Wer bin ich ohne …

Und wer wärest Du mit Abitur? Und wer mit Abitur aber ohne Studium, mit Studium aber ohne Doktor, als Doktorin ohne Professur, ohne Ober-Professur, Hyper-Professur, ohne Gott zu sein? Es gibt immer etwas höheres – naja, obwohl: über Gott? 😉

… dass ich mich genau so fühle wie das, was ich auf dem Papier habe? (Also wie nix?)

So gibt es auch immer etwas niedrigeres: keinen Hauptschulabschluss, keine Schule besucht, kein Sprechen gelernt, kein Schuhe-Zubinden gelernt, kein Laufen oder Atmen.

Warum wird so verdammt viel Wert darauf gelegt

Wen meinst du eigentlich damit? Außer Personalchefs (denen ich kaum mal begegne) kenne ich da niemanden. Auch von Deinem Chef kann ich mir nicht vorstellen, dass er Dir ab und zu sagt: „Naja, mit Abitur wärest du mit aber lieber.“ Wann ist Dir zuletzt jemand begegnet, der mehr Schulabschluss von Dir verlangt hätte? – außer Dir selbst …

Wen meinst du eigentlich damit?

Damit meine ich keine bestimmte Person. Es ist eher ein Gefühl. Natürlich fragt mich keiner danach und schon gar nicht mein Chef…
Ich ertappe mich nur selbst dabei, mir z.B. auf Seiten von Autoren oder anderen interessanten Menschen zuerst die Biografie durchzulesen. Ich suche schon quasi verzweifelt nach einem Vorbild ohne all das. Nach einem einfachen Menschen, der es trotzdem aus eigener Kraft geschafft hat, sich was aufzubauen und zu verwirklichen. Aber ich werde immer und immer wieder darin bestätigt, dass man wohl irgendeinen Abschluss im Lebenslauf dazu braucht. Natürlich kenne ich nicht die ganzen Schwierigkeiten der Person, aber ich habe das Gefühl, dass es irgendwie ein Zeichen von Stärke sein muss, das Abi und das Studium gemeistert zu haben. Und ich glaube diese Stärke fehlt mir. Ich sehe eben nur den Unterschied und dass ich in der Hinsicht immer als ein schwaches Wesen abschneiden werde, das sich zwar auch anstrengen kann, aber eben doch nicht ans Ziel kommt. Das fühlt sich wie eine extreme Barriere an und damit hadere ich einfach extrem, auch wenn ich noch so sehr versuche es nicht so an mich heranzulassen… es lähmt mich quasi immer wieder aufs neue und so langsam macht es mich auch wütend, obwohl ich das gar nicht sein will.
Man kann mir da leider noch so oft versichern, dass keiner von mir verlangt, dass ich Abi habe…ich selbst komme aus diesem Teufelskreis der negativen Bestätigung einfach nicht raus…

dass ich in der Hinsicht immer als ein schwaches Wesen abschneiden werde

Ist dies der Kern? Du willst nicht schwach sein?

… der es trotzdem aus eigener Kraft geschafft hat, sich was aufzubauen und zu verwirklichen

Aus eigener Kraft? Für mich ist das nur ein dummes Konstrukt! Nichts, was ich je erreicht habe, habe ich aus eigener Kraft erreicht, sondern aus der Kraft, die mir vom Leben geschenkt wurde. Niemand macht etwas aus eigener Kraft. Wer das Gegenteil über sich behauptet, der vergisst, dass ihm diese „eigene“ Kraft geschenkt wurde. Wer sagt, dass er aber mit Durchhalten und Disziplin erst diese Kraft erworben hat, der vergisst, dass ihm auch Durchhalten und Disziplin geschenkt wurden. Wer sagt, dass er sich das Durchhalten erst hart erarbeiten musste, der vergisst, dass ihm die Fähigkeit zu diesem Erarbeiten geschenkt wurde. So geht es immer weiter, und letztlich hat niemand irgendetwas aus sich heraus …

Wikipedia übersetzt das griechische philósophos als „Freund der Weisheit“. Punkt. Für mich ist das jemand, der die Weisheit, das Wissen, sucht, der Freude am Nachdenken über die Welt hat. Dies entspricht ganz den von Dir zitierten Sätzen. Dass die Menschen daraus eine institutionalisierte Disziplin mit Studium und Lehrstühlen gemacht haben, ist typisch westliches Schubladendenken. Anstatt sich über jede und jeden zu freuen, die oder der sich Gedanken über das Leben macht, braucht es plötzlich Abschlüsse und wissenschaftliche Grade. Auf dieselbe Weise wurden Religionen institutionalisiert, sodass die kleinen Gläubigen nichts mehr zu melden hatten. Religionen! Also Lehren, die eigentlich und ursprünglich für alle Menschen gedacht sind, nicht nur für gebildete.

Danke für deine Ergänzung! Diese Gedanken sollte man eigentlich groß und fett mit sich herum und nach außen tragen. Ändern wird das (erst mal) nichts, aber vielleicht den ein oder anderen mitreißen und ihm aus der Seele sprechen…

Hammer! Vor einigen Stunden hatte ich ein philosophisches Gespräch, das genau die Probleme widerspiegelt, die Du oben beschreibst. Thema Fatalismus. Wir waren unterschiedlicher Meinung über die Bedeutung des Begriffs. Ich (philosophisch unbelesen) ging aus vom Wortsinn (ins Schicksal ergeben; das Schicksal akzeptieren). Er aber (studierter Germanist) hatte bei dem Begriff all die Texte im Kopf, die er bisher bearbeitet hatte (Voltaire, Kant, …). Er: „Lass uns doch mal Voltaire lesen.“ Ich: „Es geht doch nicht ums Lesen, sondern ums Nachdenken.“ Nicht dass ich nicht Voltaire lesen würde, denn das könnte mein Nachdenken durchaus beflügeln. Aber hallo!? Was wäre denn aus dem kleinen Voltaire geworden, wenn er immer nur gelesen hätte? Sein Verdienst ist doch gerade, dass er selbst nachdachte, auch mal gegen das bisher Gelesene. In meinem Gespräch war ich permanent in der Defensive. Stets hatte ich das Gefühl, ich sollte wegen meines Nichtwissens besser mal still sein. Das ist genau das, was Du oben beschriebst:

Warum wird so verdammt viel Wert darauf gelegt, was ich wann wo wie gemacht habe …

Tatsächlich. Jetzt habe ich es auch erlebt. Ohne all die Bildung wird man als Philosoph vielfach nicht ernst genommen. Das war mir bis gestern nicht klar.

… und mein Gefühl für meine Intelligenz und allgemein für meine gesamte Person so dermaßen untergraben, dass sich daraus auch nichts entwickeln kann?

Du hast völlig Recht. Das o.g. Gespräch nagt an mir. Es wird mich behindern bei weiteren Gesprächen. Jetzt habe ich es plötzlich nötig, aktiv gegen dieses Gefühl der Bedeutungslosigkeit durch Nicht-Bildung anzukämpfen. Und tatsächlich: Dieses Gespräch hat mich philosophisch ausgebremst 🙁

Hallo Pit! Schade, dass dich das so ausgebremst hat, aber ich kann dich da soooo gut verstehen und das Gefühl nachempfinden. Ich habe mich genau so gefühlt, als ich vorletztes Jahr auf diesem Schreibretreat in Slowenien war, an dem überwiegend Philosophen bzw. Philosophiestudierte teilgenommen hatten. Da saß ich dann und habe dem Wortwechsel zugesehen und konnte nichts dazu sagen…ich habe die Stimmung dann für das genutzt, weshalb ich eigentlich da war und geschrieben.

Ich hoffe doch, dass dich diese Erkenntnis nicht bei weiteren Gesprächen mit anderen behindern wird! Vielleicht tröstet es dich, dass es wirklich nicht so ist, dass jedes philosophische Gespräch so verlaufen muss. Es kommt sehr auf die Person an, mit der man sich unterhält. Ich merke auch erst jetzt, dass man wirklich unterscheiden sollte zwischen jenen, welche die Schriften in Bezug setzen können durch ihr Studium (und auch nur darüber reden wollen) und jenen, die das alles eben nicht haben und wissen. Für mich sind aber gerade diese Menschen alleine durch ihre Art zu denken und zu hinterfragen mehr Philosoph als jene, die sich durch ihr Studium an einer Uni so nennen. (Selten kommt beides zusammen…)

Und es gibt noch mehr Menschen, die so denken wie du und ich! Es sind nicht viele, mit denen man auf „unsere Weise“ philosophieren kann, aber es gibt sie. Mit ihnen sind die Gespräche umso schöner. Da denkt man dann erst und stellt hinterher fest: „Hey, das hat Kant damals auch so gesehen!“ Das ist ein wirklich schönes Gefühl, das auch ich mir immer wieder ins Gedächtnis rufen muss und hoffentlich auch werde, sollte ich jemals wieder in so eine Situation kommen.

In so fern: Kopf hoch! Ich versuche das zumindest, auch wenn ich mich (besonders zur Zeit) oft im zu vielen Denken verliere… aber diese negative Empfindung ist kein Dauerzustand.
Und wer weiß, vielleicht philosophieren wir beide ja eines Tages auch mal von Angesicht zu Angesicht? Ich würde mich jedenfalls geehrt fühlen und sehr freuen! : )

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