Logbuch #26 50/50

Ich höre mir ja seit einer Weile Dokus bzw. Gespräche auf Youtube über alle möglichen Themen an. Das ist zur Zeit eine meiner größten Inspirationsquellen neben Gesprächen mit anderen. Irgendwie bin ich dann auf ein Video gestoßen, in welchem sich Zukunftsforscher (ja, das kann man studieren) und andere darüber unterhalten haben, wie sie sich die Welt in Zukunft vorstellen.

Das Video hatte noch nicht einmal richtig begonnen und in der Runde ging es auch um was anderes (eher um Berufe der Zukunft)… aber ich habe es zum Anlass genommen, eine der zentralen Fragen auf mich zu beziehen und mir darüber Gedanken zu machen, wie wohl die Welt für mich in 50 Jahren aussehen wird…

Was also wünsche ich mir für die Welt in 50 Jahren? Wie würde ich gerne leben?

In 50 Jahren schreiben wir das Jahr 2070. Dann bin ich 80. Ob ich in dem Alter noch leben will, sei mal jetzt dahin gestellt, denn eigentlich möchte ich gar nicht so lange leben…
Aber da ich ja jetzt absolut nicht weiß, wie mein Leben in 50 Jahren aussieht und ob leben dann nicht doch immer noch ganz schön ist, gehe ich mal vom Idealfall aus:

Ich lebe also noch, bin glücklich und blicke auf ein Leben zurück, in welchem ich in den meisten Fällen nicht als Sklave meiner Muster gehandelt habe, sondern als freier, reflektierter und achtsamer Mensch. Im Laufe der Zeit habe ich mir zwar Meinungen gebildet, war aber auch fähig mich weiterzuentwickeln, Sichtweisen zu überdenken, abzuwägen, offen und neugierig zu bleiben.

Idealerweise habe ich auch andere Menschen irgendwie weitergebracht, sei es durch den Glauben an sie, Gespräche, Gedanken, Feedback, Liebe.

Ich möchte ausgeglichen sein. Ungebunden und frei. Besonnen und gelassen. Mehr bei mir als bei den Bedürfnissen der anderen (ohne diese aber aus den Augen zu verlieren oder sie zu übergehen!).

In meiner Welt in 50 Jahren fahre ich immer noch kein Auto, was es im best case auch gar nicht mehr gibt. Auch nicht für jene, die sich den Luxus leisten könnten. Und die sollten auch nicht mehr so präsent in unseren Köpfen sein. Der Mensch sollte bis dato erkannt haben, dass im Reichtum neben der ganzen anderen Armut auf der Welt noch so viel mehr Armut stecken kann.

Ich wünsche mir auch ein neues Wirtschaftssystem, das nicht auf Maximierung um jeden Preis aus ist, sondern auf Nachhaltigkeit und Ehrlichkeit und Miteinander. Ich spüre einfach, dass es nicht richtig ist wie wir handeln…
Kaufe alle zwei Jahre neu und produziere so, damit du alle zwei Jahre neu kaufen musst. Mach Gewinn. Spare. Mach Urlaub am Meer. Nimm einen Kredit auf, wenn du es dir nicht leisten kannst. Investiere. Verdien mehr. Sei unzufrieden, weil es noch mehr sein sollte und du dich verschuldet hast. Sei unglücklich, weil du über deine Verhältnisse lebst…und dich nach der Erfüllung im Reichtum und Überfluss sehnst und du gleichzeitig weißt, dass das nie eintreffen wird. Weil du Steuern zahlen musst… die GEZ sich erhöht… und du dir so nicht das leisten kannst, was du willst.
(Nun gut, vielleicht zähle ich das gerade in einer sehr krassen Art und Weise und etwas überspitzt auf.. Keiner sagt einem das natürlich so. Aber das ist nun mal MEINE Wahrnehmung und das, was bei mir ankommt, seitdem ich Haben oder sein gelesen habe. Im Grunde sogar schon davor…also seit 2011.)

Und ich finde es schrecklich und unerträglich so sehr daran festzuhalten und es als normal ansehen zu müssen! Gleichzeitig glaube ich an etwas Besseres, das spätestens dann eintreffen wird, wenn wir ALLE aufhören uns einfach mit diesem System abzufinden. Mit Sicherheit hat uns das Wachstum auch Reichtum beschert. Aber es kippt. Dass die Welt gerade an einem Strang zieht und alles runterfährt wegen Corona macht mir Mut. Und wenn sie jetzt nichts lernt, dann bei der nächsten Katastrophe. Oder bei der übernächsten. Spätestens dann, wenn allen klar wird, dass man die wahren Probleme nicht mit milliardenschweren Rettungspaketen löst, die keiner je zurückzahlen kann.
Ich glaube das alles wird sich so oft wiederholen, bis irgendwann irgendjemand die Zusammenhänge dahinter versteht, ignoriert, neu denkt und etwas schafft, was unser bisheriges Vorstellungsvermögen übersteigt. Das ist dann Quasi das Rad des 21. Jahrhunderts.
Es gibt vermutlich nichts, das ich mir für die Welt in 50 Jahren mehr wünsche als das…

Ich persönlich bin in 50 Jahren Minimalistin geblieben, besitze keine Anhäufung von Gegenständen. Kann in den Spiegel schauen in dem Wissen, dass ich immer versucht habe das beste zu tun. Kein übermäßiges Leid verursacht zu haben.
Vielleicht wohne ich in Dänemark. Vielleicht ist Dänemark aber auch schon von der Landkarte verschwunden, weil wir zu lange gewartet haben und der Klimawandel eben doch ernster war als gedacht…

Womöglich wohne ich dann eher in den Schweizer Bergen, wo ich eine Hütte habe, in der ich gelegentlich Schreibretreats veranstalte bzw. Menschen einlade dort ihren Urlaub zu verbringen ohne sich groß touristisch was anzusehen oder weiter rumzureisen. Einfach nur um zur Ruhe zu kommen und mit mir Nudeln zu kochen. Aber ich lebe gewiss nicht mehr in Deutschland, auch wenn der Kleinbürger-Populismus dort dann endlich ein Ende hat.

Vermutlich werde ich dort auch alleine (und geplant) sterben ohne je verheiratet gewesen zu sein oder Kinder in die Welt gesetzt zu haben. Aber ich werde nicht einsam sein, auch wenn meine Freunde das „Standardprogramm“ geschafft haben (oder einfach nur immer noch glücklich mit ihrem schwulen Partner zusammen sind).
Ich werde also keine Kinder haben, keine Enkelkinder. Meine Eltern werden schon lange tot sein und ich werde sie vermissen, aber froh darüber sein, dass ich es geschafft habe in den letzten 20-30 Jahren ihres Lebens ein besseres Verhältnis zu ihnen aufgebaut zu haben. Das hat uns allen noch etliche glückliche Momente gebracht.

Ich werde ihr Erbe zum größten Teil wohl übertragen haben, da ich es nicht für notwendig erachtet habe und mein Vorsatz mich alleine durchzuschlagen einfach um einiges stärker ist. Mein Bruder hat das alles auch mehr verdient mit all der Verantwortung, die er gerade übernimmt und der Familie, die er liebt und die nicht so zerrüttet und kaputt ist wie so viele andere auf dieser Welt.

Vielleicht habe ich es aber auch tatsächlich noch geschafft das Abi nachzuholen und zu studieren… und habe jahrelang für eine Zeitung geschrieben, weil ich gemerkt habe, dass die Berichterstattung immer mieser wird und es Menschen braucht, die nicht reißerisch sondern in erster Linie informativ schreiben und vor allem mal sinnvolle Quellen angeben.

Und ich werde wohl in 50 Jahren noch das ein oder andere Buch geschrieben haben, doch definitiv keine berühmte Autorin sein… aber hoffentlich dem ein oder anderen Menschen eine Gänsehaut beschert haben, weil er sich verstanden fühlt mit seiner Gedankenwelt. Und wer weiß, vielleicht habe ich ja auch dazu beigetragen, dass sich ein Genie von mit hat inspirieren lassen? Der das, was ich nicht geschafft habe, einfach weiterführt, neu erdenkt, mit Liebe und Leidenschaft nach außen trägt, so wie es immer mein Ziel war.

 

Wir können die größeren und kleineren Welten durch unsere Worte zerstören, aber auch zu einem besseren Ort machen.

Posted by Journey

Kategorie: Logbuch

Autor: Journey

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6 Kommentare        

Einer der besten Texte die ich bisher von dir gelesen habe.

Danke! Ist auch ein gutes Thema…so für später. : )

Ich glaub, für das Video werd ich mir demnächst mal etwas Zeit nehmen.

Ein schöner, interessanter Blick „zurück in die Zukunft“. So hab ich noch nie über mein noch kommendes Leben nachgedacht.

Ui, du weißt jetzt schon, dass du keine 80 werden möchtest? Wenn ich so vergleichsweise fit ins hohe Alter kommen würde wie mein Opa, hätte ich kein Problem damit, ebenfalls 97 zu werden.

Ja, ich fürchte auch, dass es für ein generelles Umdenken in der Gesellschaft noch viele „Warnschüsse“ vor den Bug geben muss, um von diesem ewigen Wachstum wegzukommen – oder ein „Rad des 21. Jahrhunderts“, wie du es so schön formuliert hast. Ja, das wärs.

Ich musste dann auch noch eben das Wort „Retreat“ nachschlagen – wieder was dazugelernt *g*

Es freut mich, wenn du aus meinem Beitrag auch etwas ziehen kannst! : )

Und du wirst es vielleicht spooky finden, aber ich habe auch schon eine Vorstellung davon, wie meine Beerdigung aussehen wird. Das heißt jetzt nicht, dass ich das so schnell umsetzen will… Nur bin ich im Herzen neben all dem mittlerweile Bunten eben auch eine Gothicbraut. ; )

@ Journey:

Da hast du mich jetzt auf was gebracht. Aber ich glaub, ich bleib dabei und schau doch einen mir noch unbekannten Film und nicht „Corpse Bride“ ?

Wenn es bei mir keinen Urnenbestattung werden würde (gern in einem Friedwald, mehr hab ich mir darüber aber noch keine Gedanken gemacht), dann wäre das hier auch ganz nach meinem Humor ?

Ooooh, Corpse Bride ist einer der schönsten Liebesfilme überhaupt! <3

Und ich will definitiv verbrannt werden und meine Asche über die Alpen verstreut wissen!

Aber letzteres ist auch echt cool! : D Memo an mich selbst: Vor meinem Tod viel Film- und Soundmaterial anfertigen lassen...

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